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Schwarzbachbett

by Gulden / Thewes

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1.
1 AUS DER TIEFE Halbdunkel, so, dass die Umrisse der Gegenstände vage auszumachen sind: ein Tisch und ein Stuhl, die, umgestoßen, im Zimmer liegen, ein Bett an der rechten Wand, ein kleines Gitterfenster, hoch oben an der Bettwandseite (aufgemalt), eine Tür an der linken Wand (aufgemalt). Von unter dem Bett (SJ ́ s Stimme) Gemurmel erst unverständlich, längere Zeit so, dann zu verstehen: O Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Dieser Satz wird dreimal wiederholt. Kurze Pause, dann Schreien, ein langgezogenes: Nein! Dann Stille. Nach einer Weile, leise, tonlos fast: Verdammt, verdammt, Gott verdammt! Dunkel
2.
2 DER WINZLINGSPRIESTER Halbdunkel. SJ, in Priester (Alltags-)Kleidung, schiebt sich unter dem Bett hervor. Erhebt sich. Steht eine kurze Weile so da, dann bekreuzigt er sich, geht zum Tisch, stellt ihn auf die Beine, trägt ihn zur Zimmermitte, geht zum Stuhl, stellt ihn auf die Beine, trägt ihn zum Tisch, stellt ihn auf die Tischmitte: Altartisch. Tabernakel. SJ küsst die Tischplatte, kniet sich dann hinter (vor) den Tisch. Nur Kopf und Arme reichen über den Tisch. SJ schaut zwischen den Stuhlbeinen hindurch. Das Priesterlein. Der Winzlingspriester. Kasperl. SJ breitet die Arme aus, ab den Ellenbogen nach oben abgewinkelt, Hände offen nach vorn. SJ mit Kinderstimme, Sprechgesang, im Leier Ton: Dominus vobiscum – Et cum spiritu tuo SJ streckt jetzt die Arme ganz aus, spricht mit Normalstimme: Und mit deinem Geiste! Schlägt mit der Stirn auf die Tischplatte, spricht mit Normalstimme: Und mit deinem Geiste! Schlägt mit der Stirn auf die Tischplatte. Wiederholt diesen Vorgang: Sprechen, Schlagen, fünfmal. Dann: Die Arme wieder angewinkelt, mit Kinderstimme, Sprechgesang, im Leier Ton: Introibo ad altare dei – Ad Deum, qui laetificat juventutem meam. SJ presst den Kopf zwischen die Hände, schreit ein langgezogenes: Nein! Legt die Hände auf die Ohren, hält sich die Ohren zu, spricht im Mutterton, ein sanftes, zärtliches, aber dennoch bestimmtes Sprechen: Das Priesterlein, mein Priesterlein, SJ mit Normalstimme: Dein Winzlingspriester! Ich Priesterlein. Ich Winzlingspriester! Breitet die Arme wieder aus, angewinkelt, mit Kinderstimme, Sprechgesang, im Leier Ton: Confitebor tibi in cithara, Deus, Deus meus, Deus meus wiederholt, als sei er steckengeblieben, Platte mit Sprung, immer wieder, je nachdem, Deus, Deus meus, Deus meus, Deus, Deus meus, Deus meus, dann : quare tristis es anima mea, et quare conturbas me!? SJ mit ausgestreckten Armen, mit Normalstimme : Ich Priesterlein. Dein Priesterlein. Der Winzlingspriester. SJ, hält sich die Ohren zu, schreit ein langgezogenes: Nein! Stille. Nach einer Weile: SJ streckt die Arme nach vorne aus, die Hände nebeneinander, mit Kinderstimme, Sprechgesang, im Leier Ton: Mater divinae gratiae dann mit Normalstimme, aber wie ein Bittgebet, flehend: Mutter, die du mich, kaum konnte ich stehen, kaum konnte ich gehen, täglich fast mitgenommen hast in die Kirche, die heilige Messe, bitte für mich! Wieder mit Kinderstimme, Sprechgesang, im Leier Ton: Mater purissima dann mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du mich, kaum konnte ich sprechen, das Beten gelehrt hast, meine ersten Worte waren, hast du gesagt: Amen, Gott und Maria, bitte für mich! Wieder mit Kinderstimme: Mater castissima dann mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du mir, kaum konnte ich mich selbst anziehn, Priesterkleider geschneidert hast: Manipel, Stola, Kasel, das Messgewand, dein Priesterlein, bitte für mich! Mit Kinderstimme: Mater inviolata Mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du mir, kaum konnte ich feste von flüssigen Speisen unterscheiden, einen Kelch geschenkt hast, aus Holz, zwar mit Silberbronce bemalt, aber echt aussehend, und Oblaten dazu, richtigen Hostien ähnlich, bitte für mich! Mit Kinderstimme: Mater intemerata Mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du mir, kaum war ich in der Schule, lernte lesen und schreiben, den Tisch hergerichtet hast zum Altar mit Tabernakel, dem Messbuch, dick, schwarz, mit Kerzen und Blumen aus unserem Garten, bitte für mich! Mit Kinderstimme: Mater amabilis: Mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du mir den Küchenstuhl zur Kanzel gemacht hast, ich auf dem Küchenstuhl konnte dir in die Augen blicken, durch meinen Mund, sagst du, hast du Gottes Wort gehört, bitte für mich! Mit Kinderstimme: Mater admirabilis Mit Normalstimme, Bittgebet: Mutter, die du stolz warst auf mich, sagst du, dein Priesterlein, eine Priestermutter zu sein, dein Sohn ein geweihtes Haupt, wird er Mittler zwischen Gott und den Menschen werden, bewahrt vor allem Bösen in der Welt, ein kleiner Heiliger, und du, dein besonderer Platz im Himmel war dir sicher wie das Amen in der Kirche, bitte für mich! SJ legt die Hände über sein Gesicht, sagt leise aber bestimmt: Mutter, ich verfluche dich, verfluche dich, verfluche dich! SJ breitet die Arme auf dem Tisch aus, legt sie fest auf den Tisch, steckt den Kopf unter den Tisch, spricht mit Kinderstimme, Sprechgesang im Leierton: Confiteor Deo omnipotenti, beatae Mariae semper Virgini, beato Michaeli Archangelo, beato Johanni Baptistae, sanctis Apostolis Petro et Paulo, omnibus Sanctis, et tibi pater: quia peccavi nimis cogitatione, verbo et opere : mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa... SJ zieht den Kopf unter dem Tisch hervor, mit Normalstimme, laut, deutlich: Nein, nein, nein. Dunkel. In das hinein singt SJ leise, stockend, mit brüchiger Stimme: O Gott, wir armen Sünder erscheinen reuig hier. Sieh Vater, deine Kinder, verstoß uns nicht von dir. Vergib uns unsre Sünden und jede Missetat, und lass uns wiederfinden Verzeihung, Huld und Gnad.
3.
3 LAUSCHER SJ läuft zur Tür (schnell, katzenartig), lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft wieder zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft wieder zur Tür, drückt sein Ohr fest an die Tür, flüstert: Sie kommen. Sie kommen. Ich wars nicht. Sie kommen mich holen. Ich wars nicht. SJ schaut, spricht ins Zimmer: Ich wars. Ich wars. SJ lauscht wieder an der Tür, flüstert: Sie kommen. Mich holen. Ich wars nicht. Feuer! Feuer! SJ spricht ins Zimmer: Ich wars. Ich wars. Ich wars doch. Spricht zur Tür: Kommt! Kommt doch mich holen! Ich wars. Es brennt! Das brennt! SJ lauscht, schlägt den Kopf, Schläfenseite, fest gegen die Tür, spricht, mit oder nach jedem Schlag (nach dem Blütenzupfmuster: er liebt mich, er liebt mich nicht) Ich wars nicht! Ich wars. Ich wars nicht. Ich wars. Feuer! Feuer! Es brennt! Los kommt doch mich holen! Ich wars nicht. Ich wars. Los holt mich! Ich wars nicht. Ich wars. SJ schreit jetzt: Ich wars nicht! Ich wars! Ich wars nicht! Ich wars! Feuer! Und Flammen! Die Flammen! Es brennt! Wie das brennt! SJ sackt langsam an der Tür entlang zu Boden. Stöhnt : Ich wars. Ich wars nicht. ich wars. Ich wars nicht. Ich wars. Flüstert: Kommt doch mich holen! Holt mich doch endlich! Feuer und Flammen. Das brennt! Wie das brennt! Holt mich doch endlich! Ich wars nicht.
4.
4 ZIMMERWALLFAHRT SJ steht aufrecht, geht in die Knie, beugt sich zur Erde, küsst sie, wirft sich, langausgestreckt, die Arme nach vorn, auf den Boden, geht wieder in die Knie, erhebt sich, steht aufrecht, hebt die Arme in die Höhe, spricht (im Klage-Jammer Ton): Wie ein Aussätziger, ein Aussätziger bin ich, von Gott geschlagen und gedemütigt, verwundet zutiefst meiner Missetaten wegen, gedemütigt wegen meiner Laster. Wohlgestalt und Schönheit sind von mir gewichen, ich bin der geringste der Menschen, der (ein) Mann der Schmerzen. Legt die Hände an die Schläfen, schaut nach oben, spricht (flehentlich): Mutter, drück die Wunden, die dein Sohn für dich empfunden, tief in meine Seele ein Lässt die Hände fallen, macht einen Schritt nach vorn, geht in die Knie, beugt sich zur Erde, küsst sie, wirft sich, langausgestreckt die Arme, zu Boden, geht wieder in die Knie, erhebt sich, steht aufrecht, hebt die Arme in die Höhe, spricht (im Klage-Jammer Ton): Meine Augen sind dunkel geworden vom Weinen. Denn er ging fort von mir, fort, der mein Tröster war. Stark wie der Tod ist die Liebe. Viele Wasser der Trübsal mögen sie nicht auszulöschen. Legt die Hände an die Schläfen, schaut nach oben, spricht (flehentlich): Mutter, drück die Wunden, die dein Sohn für dich empfunden, tief in meine Seele ein! Lässt die Hände fallen, macht einen Schritt nach vorn, geht in die Knie, beugt sich zur Erde, küsst sie, wirft sich, langausgestreckt die Arme, zu Boden, geht wieder in die Knie, erhebt sich, steht aufrecht, hebt die Arme in die Höhe, spricht (im Klage-Jammer Ton): Ich bin einsam, einsam und ohne Kraft. Sieh mein Elend und meine Plage! Mir ist in der Drangsal die Kraft geschwunden. Ich bin ein Wurm und kein Mensch. Die mich sehen, spotten meiner, sie schütteln lästernd den Kopf über mich. Legt die Hände an die Schläfen, schaut nach oben, spricht (flehentlich): Mutter, drück die Wunden, die dein Sohn für dich empfunden, tief in meine Seele ein! Lässt die Hände fallen, macht einen Schritt nach vorn, geht in die Knie, beugt sich zur Erde, küsst sie, wirft sich, langausgestreckt die Arme, zu Boden, geht wieder in die Knie, erhebt sich, steht aufrecht, hebt die Arme in die Höhe, spricht : Weinet nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder! Ihr werdet zu den Bergen sprechen: fallet über uns! Und zu den Hügeln: bedecket uns! Legt die Hände an die Schläfen, schaut nach oben, spricht (flehentlich): Mutter, drück die Wunden, die dein Sohn für dich empfunden, tief in meine Seele ein! Lässt die Hände fallen, macht einen Schritt nach vorn, geht in die Knie, beugt sich zur Erde, küsst sie, wirft sich, langausgestreckt die Arme, zu Boden, geht wieder in die Knie, erhebt sich, steht aufrecht, hebt die Arme in die Höhe, spricht (im Klage- Jammer Ton ): In den Staub gebeugt ist meine Seele. Mein Leib ist zu Boden getreten. Die Schuld hat sich gehäuft über meinem Haupte. Sie drückt mich nieder wie eine schwere Last. Legt die Hände an die Schläfen, schaut nach oben, spricht (flehentlich): Mutter, drück die Wunden, die dein Sohn für dich empfunden, tief in meine Seele ein! So durchmisst er das Zimmer, hin und zurück bis unter den Tisch.
5.
5 SCHUTZ UND SCHIRM SJ kauert unter dem Tisch. Kniet sich dann hin. Beginnt zu beten: Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin... O Maria hilf! O Maria hilf doch mir, ein armer Sünder kommt zu dir. Du bist es ja, die helfen kann, o nimm dich, Mutter, meiner an. Hilf, Maria, es ist Zeit, Mutter der Barmherzigkeit. Du bist mächtig, uns aus Nöten und Gefahren zu erretten, denn wo Menschenhilf gebricht, mangelt doch die deine nicht. Hilf, Maria, es ist Zeit, Mutter der Barmherzigkeit. Nein, du kannst das heiße Flehen deiner Kinder nicht verschmähen. Zeige, dass du Mutter bist, wo die Not am größten ist. Hilf, Maria, es ist Zeit, Mutter der Barmherzigkeit. Während des Gebets richtet er sich langsam auf. Hebt mit den Schultern den Tisch hoch. Wenn SJ aufrecht steht, liegt der Tisch, mit beiden Händen gehalten, auf SJ ́ s Kopf. So eine Weile, dann stemmt er mit beiden Händen den Tisch über den Kopf. Gewichtheber. SJ, verzweifelt, ruft: Hilf, Maria, hilf SJ schreit: Aber sie hat nicht geholfen! Keine Hilfe! Nicht geholfen! Keine Hilfe! SJ wirft den Tisch zu Boden, fällt ihm nach, bleibt so liegen. Dunkel
6.
6 BEICHTSTUHL SÜNDENPFUHL SJ stellt den Tisch hochkant: Beichtstuhl. Stellt den Stuhl vor den Tisch, kniet sich vor den Stuhl. Spricht halblaut, aber eindringlich: Keine Ruhe habe ich in mir, keine Ruhe, denn meine Sünden sind stets vor mir! Keine Ruhe habe ich in mir, wenn ich ihrer gedenke! Vater, Vater, ich habe gesündigt wider dich! Ich habe schwer gesündigt wider dich! Ich bin nichts mehr wert, nichts, bin nicht mehr wert, dein Kind zu heißen. Ich bin zum Verräter geworden, meine Seele ist verwüstet, ich bin für immer verloren, ruhelos, verzweifelt, auf ewig heimatlos, ein verlorener Sohn bin ich, dein, dein verlorener Sohn bin ich, Verstoß mich nicht, verwerf mich nicht, verdamme mich nicht zu den Qualen der Hölle, zum ewigen Feuer. Trommelt mit den Fäusten auf dem Stuhl, schreit: Feuer! Das Feuer! Ins Feuer! Brennen muss ich! Verbrenne mich! Verbrenne mich! Brennen muss ich! Verbrenne mich! Umfasst jetzt die Stuhlbeine, wie die eines Menschen, schlägt mit der Stirn auf die Sitzfläche des Stuhls. Immer wieder. Es ist nur das dumpfe Aufschlagen der Stirn auf der Sitzfläche des Stuhls zu hören. Dann Stille. S J liegt, zusammengebrochen, über dem Stuhl. Stille. Er hebt jetzt den Kopf, spricht leise, aber eindringlich: Vater im Himmel, der du in die Tiefe der Herzen siehst, mich durchschaust, meine geheimsten Gedanken liest, alles, was ich getan, liegt offen vor dir, vor deinen Augen, Erbarmen! Erbarmen! Hab Erbarmen mit mir! Halblaut, eindringlich: Und Du, Gottes eingeborener Sohn, Jesus Christus, Heiland, mein Erlöser, milder Richter, heilender Arzt, du guter Hirte, ich sehe dich am Kreuzesstamm, dein heiliges Haupt ist mit Dornen gekrönt, deine Zunge brennt vor Durst, an Händen und Füßen bist du angenagelt, die Lanze hat dein heiliges Herz durchbohrt, dein entblößter Leib ist ganz mit Blut und Wunden bedeckt, alles, alles meiner Sünden wegen! O du Lamm Gottes, dass du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarm, erbarme, erbarme dich meiner! SJ stemmt sich mühselig hoch, setzt sich auf den Stuhl, legt eine Hand als Trichter ans Ohr, neigt den Kopf gegen den Tisch, als lausche er, höre er zu, was von hinter dem Tisch gesagt, geflüstert wird. SJ ist Beichtiger und Beichte Hörender, Beichtvater und Beichtkind zugleich. Wechselseitig sozusagen. Als Beichtvater spricht er normal, als Beichtkind halblaut. SJ, Beichtkind: In Demut und Reue bekenne ich Gott, dem Allmächtigen, und dir, Vater, meine Sünden. Alle meine Sünden. Vater, ich bin ein Täuscher, ein Blender, ein falsches, ein doppeltes Spiel treibe ich, spiele ich seit frühester Jugend, ja, seit Kind schon, wenn ich, - eingekleidet von der Mutter als Priesterlein, sie hatte die Gewänder selbst genäht, bestickt, der Winzlingspriester, mein Engel, mein kleiner Heiliger- ihr die Messe las, Gebete, Gesänge und die Gesten der Priester nachmachte, dabei aber Schreckliches, Entsetzliches dachte, mir ausmalte in allen Einzelheiten SJ, Beichtvater: Und was? SJ, Beichtkind: Hammer und Nägel, mein Lieblingsspielzeug von klein auf, Hammer und Nägel. “Meister Hämmerlein“ nannte der Großvater mich, aber die Mutter: nimm dem Kind das Werkzeug weg, komm her, mein kleiner Engel, das ist nichts für dich, Hammer und Nägel, das ist nichts für dich! Ich hasste sie, hätte sie dafür erschlagen können, schlug dafür unseren Herrn und Heiland ans Kreuz, Nagel für Nagel durch Hände und Füße, habe ich mir vorgestellt, wie das ist, wenn der Nagel durchs Fleisch geht, durch die Knochen, die splittern, das Blut spritzt, die Schmerzensschreie, das hatte ich alles in meinem Kopf, Meister Hämmerlein, wenn ich ihr fromm tat, die Augen zum Himmel verdreht, die Händchen hob, segnend, ein kleiner Heiliger, Unschuldsengel, ihr Priesterlein, sie die Priester(lein)Mutter, strahlte mich an, dann band ich sie auf das Rad, räderte sie, legte sie auf den glühenden Rost, stach ihr die strahlenden Augen aus, riss ihr mit einer Zange die Zunge heraus und und ihre Brüste schnitt ich mit dem Brotmesser ab. SJ, Beichtvater: Du sollst über die Eltern, über Vater und Mutter nicht schlecht reden, du sollst ihnen nichts Böses wünschen, du sollst Vater und Mutter ehren, solange du lebest auf Erden, das weißt du doch! SJ, Beichtkind: Ja, ja, ich weiß es, ich weiß. Aber, Vater, Vater, das ist nicht das Schlimmste, das Schlimmste habe ich mir nicht nur vorgestellt, das Schlimmste habe ich auch getan. SJ, Beichtvater: Das Schlimmste?! SJ, Beichtkind: Ich habe den Leib unseres Herrn und Heilands geschändet. Die Mutter hat mich darauf gebracht. SJ, Beichtvater: Die Mutter? SJ, Beichtkind: Die Mutter. Nach einer heiligen Messe, auf dem Heimweg, ich bekam einen Hustenanfall, spuckte aus, ich sehe noch ihren entsetzten Blick, höre noch, wie sie ruft: “Um Gottes Willen! du warst zur Kommunion, du hast den Leib des Herrn genossen, jetzt spuckst du ihn aus in den Dreck, Christi Leib!“ Bei der nächsten heiligen Messe, ich ging wie immer zum Tisch des Herrn, kaute und schluckte ich nicht, sondern behielt die Hostie im Mund, auf meiner Zunge, nahm sie heimlich, während ich die Hand vor mein Gesicht hielt, heraus und versteckte sie in der Jackentasche. Zu Haus, während ich die Messe las, durchbohrte ich sie mit einem Nagel. Ich wollte Christi Blut fließen sehen. Nichts floss. Nichts. SJ, Beichtvater: Das hast du getan? Das hast du wirklich getan? Das hast du doch gebeichtet! SJ, Beichtkind: Ja. Aber bei einem Priester, der immer schlief, wenn wir Kinder beichteten. Viele gingen zu ihm. Lange Zeit bin ich zu ihm gegangen. Und oft. Immer, wenn ich vom Ginster kam. SJ, Beichtvater: Ginster? SJ, Beichtkind: Vom Ginsterversteck. Unser Lager im Ginster. Ein Bombentrichter, umwachsen von Ginster. Das beste Versteck. Für meinen Blutsbruder und mich. Er war auch Ministrant. Wie ich. Da spielten wir Cowboy und Indianer. SJ, Beichtvater: Was gibt es da zu beichten? Alle Jungs spielen das. SJ, Beichtkind: Aber nicht so wie wir das spielten. Wir haben miteinander gerungen. Der Sieger durfte, was er wollte mit dem anderen machen. Ihn quälen. Marterpfahl nannten wir das, wenn der Besiegte, an Händen und Füßen gefesselt, dalag. Hilflos, dem Sieger ausgeliefert. Kitzeln, das war meist der Anfang, dann, das kam vor, kleine Ritzer mit dem Messer in die Haut, das Blut abgeleckt, aber manchmal auch Schnitte, richtige, die taten weh, und immer, das gehörte zum Marterpfahl, ja, das war der (eigentliche) Marterpfahl, dem Besiegten die Hose, die Unterhose herunter und dann das Glied mit allen Mitteln gepeinigt, mit Gräsern gereizt, mit Brennnesseln, mit Ginstergerten geschlagen, vor allem aber mit den Händen auf und abgerieben, bis der Besiegte aufgab und mit vor Schmerz und Lust verzerrtem Gesicht seinen Samen verspritzte. SJ, Beichtvater: Der Leib ist nicht für die Unkeuschheit da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. Oder weißt du nicht, dass dein Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in dir wohnt, den du von Gott hast, und dass du nicht dir selbst gehörst? SJ, Beichtkind: Jajaja, Vater, der Marterpfahl war aber nur eins der Spiele im Ginsterversteck. Wir hatten noch andere. Pfeilschießen zum Beispiel. Der Besiegte, gefesselt, einen Knebel im Mund, Hose und Unterhose heruntergezogen, lag auf dem Bauch, sein Hintern hochgereckt, und da hinein, ins Schwarze, das Ziel, bekam er, anfangs, dünne Ginstergerten, einen Pfeil auch, später dann das Glied des Siegers gesteckt. Oft nach solchen Spielen haben wir dann die Friedenspfeife geraucht. Ein Blutsbruder nahm das Glied des anderen in den Mund und sog daran, bis dieser befriedigt war. SJ, Beichtvater: Und wie oft habt ihr das getan? SJ, Beichtkind: Ganze Sommer lang. Und im Winter im Zimmer. Ja, während wir Messe spielten. Die Zimmertür geschlossen. Die Mutter lauschte, wir wussten es, und während wir beteten, predigten, sangen, waren unsere Hosentüren geöffnet, und einer ministrierte dem anderen. SJ, Beichtvater: Du weißt, was himmelschreiende Sünden sind? Von diesen Sünden sagt die Heilige Schrift, daß sie zum Himmel schreien, das heißt, die Strafgerechtigkeit, das Strafgericht Gottes herabrufen! SJ, Beichtkind: Vater, ich war noch ein Kind. „Als ich noch ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind“, steht geschrieben. SJ, Beichtvater: „Als ich aber ein Mann war, legte ich das kindische Wesen ab“ steht weiter geschrieben. SJ, Beichtkind: Aber ich war noch kein Mann. Ich war noch ein halbes Kind, da wurde ich in ein bischöfliches Konvikt geschickt, war getrennt von meinem Ministrantenfreund, meinem Blutsbruder, weit weg vom Ginsterversteck, unseren Indianerspielen, und den Beichten beim Priester, der immer schlief. Weit weg auch von der Mutter, dem Messespielen, dem Fromm Tun, habe ich gedacht. Falsch! An die Stelle der Mutter trat der Konviktsdirektor: „Du bist etwas besonderes, auserwählt, aus dir mache ich einen Vorzeigepriester, du wirst nach Rom gehn“. Und wieder das Doppelspiel. Und wieder so tun als ob und das Andere sich vorstellen, denken. SJ, Beichtvater: Das Andere? SJ, Beichtkind: Mädchen. Die Frauen. Je mehr der Herr Konviktsdirektor sie verteufelte: sie seien verkörpert die Sünde, Verführerinnen, das Böse schlechthin, Evastöchter, durch sie sei alles Übel in die Welt gekommen, desto mehr entzündete er meine Neugier, ja, schließlich meine Begierde nach ihnen. Ich sah nur noch Frauen, dachte nur noch an sie. Die Indianerspiele waren vergessen. Fast. Bis eines Tages, ich, die Frau war Bedienung in einem Cafe, ich traf sie, wir trafen uns heimlich an ihrem freien Tag, sie hatte mich mitgenommen, ihr Zimmer war winzig, war nur ein Bett, und da sah ich es dann, DAS, sollte es tun, aber mir wurde schlecht, ich ekelte mich so davor, was ich sah, ich musste mich übergeben, lief davon. Im Ferienlager, wir zelteten, nachts war es bitterkalt, fand ich einen neuen Blutsbruder, er kroch zu mir in den Schlafsack, aber es war nicht mehr wie früher im Ginsterversteck, obwohl SJ, Beichtvater: Obwohl? SJ, Beichtkind: Obwohl es in vielem ähnlich war. SJ, Beichtvater: Ähnlich SJ, Beichtkind: Ja, es gab auch wieder das Pfeile Schießen und auch die Friedenspfeife, aber es war kein Spiel mehr, es war nur mehr Gier, die Lust, die Befriedigung. SJ, Beichtvater: Und du wolltest Priester werden? Vertreter Gottes auf Erden? SJ, Beichtkind: Wolltest? Sollte, sollte! SJ, Beichtvater: „Unzucht und jede Art von Laster oder Gier sollen unter euch noch nicht einmal zur Sprache kommen, wie es sich für Heilige ziemt“ SJ, Beichtkind, fällt ins Wort: „Denn das merket euch wohl: kein Unzüchtiger oder Lasterhafter oder Gieriger hat Anteil am Reiche Gottes und Christi“, wie oft hat der Herr Konviktsdirektor das gesagt und gepredigt: „Die aber Christus angehören, haben ihr Fleisch mit seinen Leiden- schaften und Begierden ans Kreuz geschlagen.“ Und mich damit in eine schwere Krise gebracht (gestürzt), krank, ich bin krank geworden, das Doppelspiel hat zuviel Kraft gekostet, habe ich, hat vielmehr mein Körper gespürt, ich habe aufgehört damit, habe ich geglaubt, die Gier, die Lust aufgegeben, der Weg ist frei, einfach, ich bin geheilt, meine Seele gesund SJ, Beichtvater, fällt ins Wort: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und- Enthaltsamkeit.“ SJ, Beichtkind: Enthaltsam, das war ich dann, habe alle fleischlichen Gelüste unterdrückt. War, wie ich fest glaubte, frei davon, unabhängig, und folgte, wie der Konviktsdirektor sagte, meinem Ruf, meiner Berufung, und- bin Priester geworden. Ab hier, ab dieser Stelle, ab jetzt gibt es keine Trennung mehr zwischen Beichtvater und Beichtkind, es spricht nur noch SJ. SJ, normal: Als Kaplan in einer Kleinstadt. Meine erste Stelle. Der Pastor, ich habe ihn nicht geschätzt und auch nicht geachtet, wie ich es hätte tun sollen, er war mir geistig weit unterlegen und auch, das kam hinzu, von ausgesprochener Hässlichkeit, vierschrötig, das Wort trifft es genau. Aber eitel. Und, als er mitbekam, dass, wenn ich die Messe hielt, auch an Werktagen, auch in den Frühmessen, die Kirche gefüllter war als bei ihm, zuerst natürlich aus Neugierde, wie sieht er aus, wie spricht er, kann er singen, der Neue, dann aber auch später, als die erste Neugierde gestillt war, meine Messen besser besucht waren als seine, vor allem die Frauen, junge Frauen, einige, die sogar nach der Messe vor der Sakristei warteten, um mit mir ein paar Worte zu wechseln, die Frauen füllten die vorderen Bänke, als er das mitbekam, vielleicht wurde es ihm auch hinterbracht, es gibt solche Leute, da wurde er mir gegenüber unerträglich, versuchte mich bloßzustellen wo und wann es nur ging. Vor allem öffentlich. Dass ich seine Warnung vor den sogenannten frommen Frauen, die eine Versuchung für jeden Priester seien, ernst nahm und seinen Rat, mich den Ministranten zu widmen, gern befolgte, machte unser Verhältnis für eine Weile erträglich. Was er nicht ahnen, viel weniger wissen konnte, war, dass unter den Ministranten kleine Engel waren, wahre Teufelchen, die mich fast wieder in die Ginsterversteckzeit zurückgeworfen hätten. Ausflüge, Zeltlager, vor allem die Balgereien bei den Fußball- und anderen Spielen wurden mir immer gefährlicher. Hinzu kam, dass ich zu trinken begonnen hatte. Aus Frust und Wut über meinen dummen eitlen Vorgesetzten zuerst, der, wie ich schnell herausfand, froh war, einen Mittrinker in mir zu finden, dann, um der Versuchung Herr zu werden, die mir täglich gefährlicher wurde. Höllenqualen litt ich bei einer Bergwanderung, als wir, eine Gruppe Ministranten und ich, uns am Gipfel mehr als herzlich umarmten. Das Gebet am Gipfelkreuz brachte mich wieder zu mir, Gott sei Dank! Aber der Höllenstachel saß tief. Und eine Unruhe hatte mich erfasst, derer ich nicht mehr Herr werden konnte. Vor allem, wenn die kleinen Engel zur Beichte kamen und sich als wahre Teufelchen erwiesen, mir immer wieder die Ginster(versteck)zeit vor Augen riefen, mich aufwühlten, meine Nächte waren Höllenqualen. Gebete, Selbst- kasteiung und auch die gutgemeinten Ratschläge meines Beichtigers halfen da nichts mehr. Das Unglück nahm seinen Lauf, als ich, früher als erwartet, der Herr Pastor hatte dafür gesorgt, erfuhr ich später, versetzt wurde: eine eigene Pfarrei bekam. Das war ein Blitzstrahl aus blauem Himmel. Hilfe von oben. Ein Fingerzeig Gottes, dachte ich, erhörte Gebete, eine Gnade. Die neue Stelle, ein Dorf auf dem Land, meine Pfarrei, lange verwaist, ich hatte zu tun, war ausgefüllt, fast vergessen die Höllenqualen, die innere Unruhe, der Höllenstachel ausgerissen, freute ich mich, zu früh, zu früh, weiß ich heute, damals schien alles im Lot, in Ordnung, ich mit mir im Reinen, sogar mit der Mutter, die ich lange Zeit von mir hatte fernhalten können, hatte ich Frieden geschlossen, sie kam zu Besuch, war auch zufrieden mit meiner Haushälterin, einer Alten aus dem Dorf..... So hätte es bleiben können. Aber, so ist es nicht geblieben. Anscheinend hat Gott es nicht gewollt, mir eine neue Prüfung auferlegt, und diesen kleinen Engel geschickt. Außenseiter, der Sohn des Lehrers, aus der Stadt neu zugezogen, von den anderen Jungs nicht aufgenommen, akzeptiert, gehänselt, verspottet als Weichling, Jammerlappen, traurige Figur, immer ein Buch in der Hand, am Lesen, verträumt, kein Interesse am Fußballspiel oder an den oft groben Streichen der Dorfjungs, Muttersöhnchen, ihm wurde hart zugesetzt, aber ihm schien das nichts auszumachen, anscheinend war er es gewohnt, lebte in einer anderen Welt, war anders als die anderen, auch dem Aussehen nach, zart, blondgelockt, ein Mädchengesicht, ein Engel... und der Höllenstachel, verschwunden, ausgerissen geglaubt, war wieder da, und auch die Unruhe, wie ich mich auch gewehrt habe, mit allen Mitteln, Gott weiß, mich kasteit, gebetet, gefleht, mich ab- zulenken versucht, Rat eingeholt bei meinem Beichtiger, umsonst, vergeblich, es war wieder da, und schlimmer als je zuvor, ein Fieber Höllenpein, es schüttelte mich, ich konnte nichts mehr dagegen tun, ich wusste, ich war verloren. Es brannte in mir, ich brannte, brannte SJ schreit: Es brennt! Wie das brennt! Das brennt! Feuer! Feuer! SJ schlägt seinen Kopf, Schläfenseite, gegen den hochgestellten Tisch, Beichtstuhl, immer wieder, hält inne, dann, den Kopf zwischen beiden Händen, als habe er furchtbare Schmerzen, sitzt er da, starr, stöhnt leise. So eine Weile.
7.
7 TEUFELSKREIS SJ springt plötzlich auf, läuft (katzenartig) zur Tür, lauscht läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft zur Tür, lauscht, geht langsam zum Beichtstuhl-Tisch, stellt den Tisch wieder auf die Beine, stellt den Stuhl unter den Tisch. Währenddessen spricht er: Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen, und denen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. SJ beginnt, langsam, den Tisch zu umkreisen, dabei spricht er: Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen, und denen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen, und denen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. SJ bleibt jetzt hinter dem Tisch stehen, erhebt segnend die Hand, dabei spricht er: Ego te absolvo, a peccatis tuis aber ehe er das Kreuzzeichen macht, bricht er ab, schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch, schreit: Nein! Nein! Nein! SJ beginnt wieder den Tisch zu umkreisen, diesmal schnell, gehetzt. Dabei spricht er seinem Gehen (rhythmisch) angepasst: Vater unser, der du bist im Himmel, ich darf seine Haare nicht anfassen, ich darf seine Haare nicht anfassen, ich darf seine goldgelockten Haare nicht anfassen!, geheiligt werde dein Name, ich darf nicht in seine Augen schauen, ich darf nicht in seine Augen schauen, ich darf nicht in seine wunder(schönen tief-) blauen Augen schauen!, zu uns komme dein Reich, ich darf nicht an seinen Mund denken, ich darf nicht an seinen Mund denken, ich darf nicht an seine roten, vollen Lippen denken!, dein Wille geschehe, ich darf nicht seine Hände halten, ich darf nicht seine Hände halten, ich darf nicht seine kleinen Hände in den meinen halten!, sondern erlöse uns von dem Bösen, von dem Bösen, Bösen, Bösen SJ bleibt abrupt hinter dem Tisch stehen, hebt segnend die Hand, spricht: Ego te absolvo, bricht ab, schlägt mit der Stirn auf den Tisch, schreit: Nein, nein, nein! Beginnt wieder den Tisch schnell, gehetzt zu umkreisen, spricht, dem Gehen angepasst: Gegrüßet seist du, Maria, nicht seine Haare anfassen, nicht seine Haare anfassen, seine goldgelockten Haare anfassen!, du bist voll der Gnade, nicht in seine Augen schauen, nicht in seine Augen schauen, in seine wunderschönen tiefblauen Augen schauen!, der Herr ist mit dir, nicht an seinen Mund denken, nicht an seinen Mund denken, an seine vollen roten Lippen denken, du bist gebenedeit unter den Frauen, nicht seine Hände halten, nicht seine Hände halten, seine kleinen Hände in den meinen halten!, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes SJ bleibt abrupt hinter dem Tisch stehen, ruft: Jesus! Barmherzigkeit! Mein Jesus, Barmherzigkeit! Deine Sünden sind dir vergeben! SJ schüttelt heftig den Kopf beginnt wieder den Tisch zu umkreisen, schnell gehetzt, spricht ebenso: Neinneinnein, nicht vergeben, nicht vergeben, Nachlass der Sünden: anfassen, anfassen, Haare anfassen, Augen schauen, in die Augen schauen, tief in die Augen schauen, Mund denken, Mund, Mund, Mund denken, vollen Mund denken, Hände halten, halten, in den Händen halten schneller gehend, sprechend: schauen, denken, anfassen, anfassen Mund, Augen, Hände, schauen, denken, anfassen, Mund, Mund, voller Mund, nicht vergeben, Nachlass der Sünden, anfassen, schauen, denken, denken, schauen, anfassen, nicht vergeben, nicht vergeben, nicht SJ geht noch schneller um den Tisch, eckt an, auch sein Sprechen wird immer schneller, hektischer, immer weniger verständlich, letztendlich sind nur noch Wortfetzen, rhythmisch, dann nur noch Laute, gestammelt, zu hören, bis SJ keuchend hinter dem Tisch, sich am Tisch festhaltend, stehen bleibt, dann, die Arme ausgebreitet, langsam über dem Tisch zusammensinkt, daliegt, Opferlamm.
8.
8 GOTTS ERBARM SJ richtet sich mühselig auf. Langsam, bedächtig zieht er seinen Hosengürtel aus den Schlaufen. Legt ihn vor sich auf den Tisch. Öffnet die Hosenknöpfe. Die Hose fällt zu Boden. SJ zieht die Unterhose bis zu den Knien herunter. Legt den Penis auf die Tischplatte. Beugt sich vor und küsst den Gürtel. Nimmt den Gürtel vom Tisch. Holt aus und schlägt damit auf den Penis ein. Bei jedem Schlag schreit er unter Schmerzen: Herr, erbarme dich meiner! Schlag. Christus erbarme dich seiner! Schlag. Herr erbarme dich meiner! Schlag. Oh, Maria hilf! Hilf! Schlag. usw. Dann: Dunkel. In das Dunkel hinein sind weiterhin die Schläge und das schmerzverzerrte Schreien zu hören. Dann Stille.
9.
9 GUTER HIRTE Halbdunkel. Dämmer. SJ liegt auf dem Bett, angekleidet. Die Augen geschlossen. Die Hände auf der Brust gefaltet. Aufgebahrt. Er atmet schwer. Beruhigt sich nur langsam. Plötzlich singt er leise, mit gebrochener Stimme, stockend, aber eindringlich: Dies irae, dies illa, solvet saeclum in favilla SJ spricht, langsam, leise: Tag des Zornes, Tag der Zären, wird die Welt in Asche kehren Stille, dann: Das wollte ich nicht, wirklich nicht, ich wollte das nicht, wirklich nicht! Ich wollte das nicht. Stille, dann, stockend zuerst, schließlich „flüssig“: Ich wollte – es sollte doch nur ein Ausflug sein, der Pastor und die drei Ministranten, die Fahrt in die (Groß-)Stadt, eine Auszeichnung, eine Belohnung für sie, der Dom, die großen Schiffe auf dem Fluss, das Fußballstadion, Eis essen, mal raus, weg von zu Haus, aus dem Dorf, ein bisschen Abenteuer auch, ich wollte doch SJ stockt, presst die Hände auf die Ohren, hält sich die Ohren zu, schreit: Lüge, Lüge, alles Lüge! SJ, wieder leise, stockend: Ich wollte mit ihm sein, mit ihm allein, einen ganzen Tag. Die beiden anderen: nur mitgenommen, Ausrede, Alibi, Tarnung. Mit ihm allein wollte ich sein, der Ausflug, weg aus dem Dorf, der Dom, die Schiffe, die Großstadt, Belohnung: Lüge, Lüge! Mit ihm sein: das wollte ich wirklich. Wirklich. Oh Gott! Stille. Dann: SJ, jetzt die Hände auf die Augen gelegt, leise, stockend: Es war so ein schöner Tag. Ausflugswetter. Früh waren wir unterwegs. Damit wir viel vom Tag haben. „Schneller!“ haben die drei gerufen: „Schneller! Fahren Sie einmal richtig schnell!“ Ich wollte doch nur- ich habe mich umgedreht- einen Blick lang- ich sehe ihn, er sitzt zwischen den beiden anderen auf dem Rücksitz, er schaut mich an, der Augenblick, dieser Augenblick - ich wollte doch nur: SJ, stockt, dann: Ich wollte in seine goldgelockten Haare greifen, mein Kleiner, mein kleiner Engel, seinen kleinen Kopf zu mir hin ziehn, dicht zu mir, ich wollte in diese tiefblauen Augen schauen, mein Engel, mein Kleiner, mein kleiner Engel, dabei deine vollen Lippen küssen, und dann, dann deine Hände an meinem Glied spüren, das wollte ich. Das wollte ich wirklich, mein Gott! Oh mein Gott! SJ schluchzt. Beruhigt sich. Faltet die Hände wieder über seiner Brust. Liegt still. So eine Weile, dann SJ, fast tonlos (emotionslos): Heute, in den frühen Morgenstunden, geschah auf der Autobahn ein folgenschwerer Unfall. Nach Augenzeugenberichten geriet ein PKW aus noch unerklärlichen Gründen ins Schleudern, prallte gegen die Leitplanken und überschlug sich. Dabei wurde der Fahrer des Wagens herausgeschleudert. Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt. Für die drei weiteren Insassen des Wagens, drei Kinder im Alter von 11 und 13, kam jede Hilfe zu spät. Sie verbrannten im Wagen. Der Fahrer erlitt einen schweren Schock. Stille. Eine Weile. Dann: SJ setzt sich auf. Sitzt auf der Bettkante. Zieht die Bettdecke über sich. Hüllt sich in die Bettdecke ein. Auch der Kopf ist verhüllt. Dabei singt er leise, mit brüchiger Stimme: Quantus tremor est futurus, quando judex est venturus, cuncta stricte discussurus. Spricht dann, ebenso leise, brüchig : Welch ein Schreck wird sein und Zagen, wenn der Richter kommt zu fragen, streng zu prüfen alle Klagen. SJ erhebt sich, immer noch eingehüllt. So kommt er langsam nach vorn. Flüstert vor sich hin: Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria, dem heiligen Erzengel Michael, dem heiligen Johannes dem Täufer, den Aposteln Petrus und Paulus, allen Heiligen und dir, Vater, dass ich schwer gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld
10.
10 NACKT VOR DIR SJ schält sich langsam aus der Decke. Breitet die Decke auf dem Tisch aus. Altardecke. Er zieht die Deckenenden zurecht, streicht die Decke glatt. Das wie alles folgende macht SJ langsam und mit äußerster Sorgfalt. SJ stellt den Stuhl, Beine nach vorn, auf den Tisch, dreht sich um, beginnt, seine Schuhe auszuziehn, dabei spricht er normal, eher leise: Nicht wert, die Riemen deiner Schuhe zu lösen: Mutter, Mutter! Die Fußstapfen, in die ich treten sollte, von Kind auf, du hast es gewollt, sie waren zu groß für mich! Ich habe mich, Gott weiß es, bemüht, aber ich konnte nicht stehen darin, geschweige denn gehen! Ab jetzt macht SJ den Stuhl zur Anziehpuppe, zum Gegenüber. Er trägt die Schuhe zum Stuhl auf dem Tisch, stellt sie, je einen, akkurat, vor ein Stuhlbein. Dann zieht er sich weiter aus: die Strümpfe steckt er, je einen, in einen Schuh. Die Jacke hängt er über die Stuhllehne, die Hose legt er, so, dass je ein Hosenbein über ein Stuhlbein zu liegen kommt. Das Hemd drapiert er unter die Jacke, das Unterhemd auf die Hose, die Unterhose auf das Unterhemd. Nackt steht er da. Während er sich auszieht, spricht er im Mutter Ton: Du bist nicht wie die anderen, ich spüre es, vom ersten Augenblick an habe ich es gespürt. Ich fühle es, hier, hier drin, ganz tief hier drin, glaub mir, du bist anders als die anderen, ich weiß es, du bist etwas besonderes, ein Geschenk Gottes, todsicher, eine Mutter hat das im Gespür, einen sechsten Sinn! Dann wieder, normal, leise, eindringlich: Mutter, dein Gespür, dein sechster Sinn, dein Mutterherz! Ich wollte nie etwas besonderes sein, nie anders als die anderen sein! Im Gegenteil, ganz im Gegenteil: Ich wollte sein wie die anderen, wie alle anderen, ganz normal! Obwohl ich es immer wieder gern (gehört) gehabt habe, wenn du mich hervorgehoben, ja, sogar mit einer gewissen Ehrfurcht behandelt hast: ein Geschenk Gottes, dein einziges Kind, spät noch, deine Gebete erhört - und wie! „Gott hat mir einen schwachen Mann genommen, aber (dafür) einen starken Sohn geschenkt“, hast du gesagt, Mutter, deine Worte! Wie oft. Der Tod des Vaters, m e i n e s Vaters, der Unfall, „Gottes Fügung, Gott hat es so gewollt!“, hast du immer wieder auf meine Fragen geantwortet: „Gott weiß, was er tut.“ Weißt du, Mutter, bei jedem „Vater unser“ habe ich an ihn gedacht, an meinen Vater, deinen Mann, der mich gemacht hat! „Vater unser, der du bist im Himmel!“, hier, hier (unten) hätte ich dich gebraucht , hier auf der Erde! Vielleicht wäre ich ein anderer geworden, vielleicht ein Lehrer, (mit) Familie mit Kindern, alles wäre anders geworden, anders gewesen... Vater, (mein) Vater, warum hast du mich verlassen, mich allein (zurück)gelassen! Mutter, du hattest recht, ich bin etwas besonderes, etwas ganz besonderes bin ich geworden, ja, anders als die anderen, ganz anders! Dein Geschenk Gottes: und was für ein Geschenk! SJ, inzwischen nackt, schlägt sich mit der Faust gegen die Stirn, schreit: Mutter, Mutter, ich wollte immer nur Mensch sein! Ein Mensch! Einfach ein Mensch! Nicht mehr, auch nicht weniger! Heute weiß ich: Es ist schrecklich, es ist furchtbar genug, Mensch zu sein, aber Priester! Ein Priester! Oh Gott, oh Gott, oh Gott! SJ sackt in die Knie vor dem „angezogenen“ Stuhl auf dem Tisch. Beginnt im Jammer-Klageton (quasi Rezitativ): Hast du das Auge eines Sterblichen, siehst du, wie Menschen sehen? Deine Hände haben mich gebildet, mich gemacht, dann hast du dich umgedreht und mich vernichtet. Denk daran, dass du wie Ton mich geschaffen hast, zum Staub willst du mich zurückkehren lassen. Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Warum ließest du mich aus dem Mutterschoß kommen, warum verschied ich nicht, ehe mich ein Auge sah? Wie nie gewesen wäre ich dann, vom Mutterleib zum Grab getragen ins Land, so finster wie die Nacht, wo Todesschatten herrscht und keine Ordnung und wenn es leuchtet, ist es wie tiefe Nacht. SJ schlägt die Hände vors Gesicht. Verharrt so eine Weile. Stille.
11.
11 TOTER WINKEL SJ springt auf, läuft zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, geht langsam zum Tisch, greift sich dort den Stuhl, nimmt die Kleider, zieht sich an, in größter Eile, wortlos, packt den Stuhl, trägt ihn hastig zum Fenster, steigt auf den Stuhl, schaut hinaus, dreht sich abrupt um, hält die Hände vor die Augen, öffnet den Mund zum Schrei, bleibt aber stumm, stummer Schrei. Dunkel
12.
12 UNTERM EIS SJ schleppt, zieht das Bett in die Zimmermitte. Kissen und Matratze wirft er auf den Boden, stellt den Bettkasten hochkant, zieht den Tisch an die hochgestellte Bettkante, stellt den Stuhl, Treppe, an den Tisch. Steigt auf den Stuhl, steigt auf den Tisch, steigt auf die Bettkante. Breitet die Arme aus. Beginnt, auf der Bettkante zu balancieren, langsam, Schritt für Schritt. Nach fast jedem Schritt hält er inne, balanciert aus, spricht: Schwindelfrei... Ich bin nicht schwindelfrei. Seit Kind. Seit diesem Sonntagnachmittag. Im Winter. Eiskalt. Anstatt zur Christenlehre bin ich zum Schlittern. Den Brückenweg hinunter. Eine spiegelglatte Eisbahn. Viele Kinder waren da. „Das ist doch nichts! Das kann doch jeder!“: Und bin auf das Brückengeländer hinauf(geklettert). „Ich bin ein Engel!“ Sooft gehört, die Mutter: du bist ein Engel, mein Engel, ein Engel bist du! „Ich bin ein Engel! Ich kann fliegen!“ Die Arme ausgebreitet, Flügel. Und vorwärts. Und dann- der Windstoß, das Gleichgewicht verloren, und kopfüber von der Brücke und durch das Eis im Fluss gestürzt bis auf den Grund. So still auf einmal, ich weiß noch, es war still, ganz still. Zwei Männer, zufällig vorbeigekommen, haben mich herausgezogen und nach Haus gebracht. Nichts, ich hatte nichts, war unverletzt, ein Wunder. Die Mutter, in Tränen aufgelöst, hat mich in ein heißes Bad gesteckt und, dann ins Bett. „Wir müssen Gott danken! Das war kein Glück, das waren Schutzengel, deine Schutzengel! Die hat dir Gott geschickt. SJ, leise: Heiliger Schutzengel mein, lass mich dir anbefohlen sein. In allen Nöten steh mir bei und halte mich von Sünden frei. Bei Tag und Nacht, ich bitte dich, beschütze und bewahre mich. Amen. oder: SJ singt: O Engel rein, o Schützer mein, du Führer meiner Seele, lass mich dir anbefohlen sein, dass ich vor Gott nicht fehle! (S. 172/ Nr.2o1) oder: Du mein Schutzgeist, Gottes Engel, weiche, weiche nicht von mir, leite mich durchs Tal der Mängel bis hinauf, hinauf zu dir! (S.174/ Nr. 2o3) SJ geht so, sprechend und balancierend, bis zum Ende der Bettkante, dreht um, balanciert zurück. Mittendrin: Dunkel. Poltern: Aufschlag
13.
13 KREUZWEG SJ schultert das Bettgestell, trägt es von einer Seite des Raumes zur anderen. Hin und her. Schnelles Gehen. Kreuzträger, Kreuzweg.. Murmelt während des Bett(Kreuz)Tragens. Gebets Ton Litanei: Gott Vater vom Himmel- erbarme dich meiner! Gott Sohn, Erlöser der Welt- erbarme dich meiner! Gott Heiliger Geist- erbarme dich meiner! SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, in dem ich gemacht worden bin, Mutter, nie, wie oft habe ich es versucht, konnte ich mir wirklich vorstellen, dass du dich einem, wenn auch deinem, Mann hingibst, im Dunkeln, es war immer dunkel, habe ich mir vorgestellt, entsetzlich, du, nackt, weit geöffnet, unter einem Mann, deinem Mann, er dringt in dich ein, er bewegt sich auf dir, in dir, du schreist SJ schultert das Bett, geht weiter, murmelt. Gebets Ton Litanei: Jesus, mit Geißeln grausam geschlagen- erbarme dich meiner! Jesus, mit dem Purpurmantel schimpflich bekleidet- erbarme dich meiner! Jesus, mit Dornen gekrönt- erbarme dich meiner! Jesus, mit dem Rohr aufs Haupt geschlagen- erbarme dich meiner! Jesus, mit der Last des Kreuzes beladen- erbarme dich meiner! Jesus, wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt- erbarme dich meiner! SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, Bettchen, meine Wiege, erste Schlafstatt, Mutter, einschlafen wollte ich nur, einschlafen konnte ich nur, wenn du, meine Hand in deiner, mich in den Schlaf erzählt, gebetet, gesungen hast. „In dieser Nacht sei du mir Schirm und Wacht, o Gott, durch deine Macht wolltst mich bewahren vor Sünd und Leid, vor Satans List und Neid; hilf mir im letzten Streit, in Todsgefahren.“ Ich höre dich noch, deine so schöne volle Stimme, und wie gut du erzählen konntest, von den Heiligen, Geschichten aus ihrem Leben, von Wundern und von ihrem gottgefälligen Dasein, aber auch von ihrem oft grausamen, schrecklichen Tod, von Foltern aller Art, entsetzliche Bilder, die meine Phantasie weckten, anstachelten, mir in meine Träume folgten, da halfen auch die Schutzengel nicht, die du mir in den Schlaf mitgabst, dein kleiner Heiliger, wie oft hast du mich so genannt, dein kleiner Heiliger schrie oft im Schlaf, schrill, dass es einem durch Mark und Bein ging, hast du gesagt, Mutter, ach SJ schultert das Bett, geht weiter, murmelt. Gebets Ton Litanei: Jesus, unter der Last des Kreuzes zusammengesunken- erbarme dich meiner! Jesus, deiner Kleider beraubt- erbarme dich meiner! Jesus, mit Nägeln ans Kreuz geschlagen- erbarme dich meiner! Jesus, am Kreuz noch verspottet und gelästert- erbarme dich meiner! Jesus, mit einer Lanze durchbohrt- erbarme dich meiner! SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, Versteck, die Höhle, mein Zelt, verkrochen habe ich mich dahinein, das Dunkel, mich sicher gefühlt, Mutter, auch wenn du immer wieder gesagt hast: „Gott sieht alles, allüberall, bei Tag und bei Nacht!“, dort habe ich die Ginsterversteck- spiele weitergespielt, allein, mit mir selbst, Mutter, auch wenn du nach dem Gute Nacht Kuss nie vergessen hast: „die Hände schön gefaltet!“, zu sagen: „Und auf die Bettdecke, Gott hat ein Auge auf dich, denk dran, jetzt schlaf schön“, du hast deinem kleinen Heiligen nicht getraut, nicht wirklich, sonst hättest du nicht, ich schäme mich heute noch- für dich, Mutter, sonst hättest du nicht jeden morgen an meinen Händen gerochen, Ritual, Kontrolle, getarnt durch einen Kuss, ach Mutter, Selbstbefleckung, ich habe mich unschamhaft berührt, mit mir gespielt, wie oft habe ich das dem Priester, der immer schlief, als Kind gebeichtet... SJ schultert das Bett, geht weiter, murmelt. Gebets Ton Litanei: Durch deinen blutigen Angstschweiß- erlöse mich, o Jesus! Durch den Schmerz der Geißelung- erlöse mich, o Jesus! Durch den Schimpf der Dornenkrone- erlöse mich, o Jesus! Durch dein mühseliges Kreuztragen- erlöse mich, o Jesus! Durch die grausame Pein der Nägel in den Händen und Füßen- erlöse mich, o Jesus! Durch deine heiligen Wunden- erlöse mich, o Jesus! SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, meine Arche, Zufluchtsort, meine Insel im Meer( meiner Ängste) von tausend Ängsten ich Robinson, kein Freitag weit und breit, alleingelassen, Mutter, die vielen Krankheiten, Gott hat alles gesehen, weiß alles, die Strafe für meine himmelschreienden Sünden, Todsünden, hinab in die Hölle, die Verdammnis auf immer und ewig: habe ich in meinen Fieberträumen gezittert, wäre vor Angst fast gestorben, Mutter, dass deine Bittgebete geholfen haben, die Wallfahrten, hast du geglaubt, Gott prüft deinen kleinen Priester lässt ihn durchs Elend durchs Jammertal gehen bis zum guten Ende SJ schultert das Bett, geht weiter, murmelt. Gebetston. Litanei: Dass du mich um deines bitteren Leidens und Sterbens willen verschonest: ich bitte dich, erhöre mich! Dass ich in Angst und Not nicht verzage: ich bitte dich, erhöre mich! Dass ich mich deines heiligen Kreuzes nicht schäme, sondern rühme: ich bitte dich, erhöre mich! Dass du mich zum wahren Freund deines Kreuzes machen wollest: ich bitte dich, erhöre mich! Dass du mir die Früchte deines Leidens schenken wollest: ich bitte dich, erhöre mich! Dass du, am Stamme des Kreuzes erhöht, mich an dich ziehen wollest: ich bitte dich, erhöre mich! Dass ich durch die Kraft deines Kreuzes den Teufel, die Welt und das Fleisch überwinde: ich bitte dich, erhöre mich SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, du Tugendfalle, Sündenpfuhl, Lasterhöhle, Hurenlager, Mutter, die Frauen, alle Frauen, der Herr Konviktsdirektor hat sie alle verteufelt, sie des Teufels genannt, Evas Töchter, Verführerinnen, in Acht nehmen, ihnen wo immer wenn möglich aus dem Wege gehen, nur eins im Sinn mit ihrem Körper hätten sie, uns vom Pfad der Tugend abzubringen, ins Bett zu bekommen, das Bett ein Tor, nein, wortwörtlich ein Sprungbrett ins Verderben, die Verdammnis, in die Hölle SJ schultert das Bett, geht weiter, murmelt. Gebets Ton Litanei: Dass ich in deinem heiligen Blute von allen Sünden gereinigt werde: ich bitte dich, erhöre mich! Dass du mir verleihest, mein Kreuz täglich auf mich zu nehmen und dir bereitwillig nachzutragen: ich bitte dich, erhöre mich! Dass du mich durch dein Kreuz in meinen Todesnöten schirmen und stärken wollest: ich bitte dich, erhöre mich! Jesus Christus, für mich geängstigt, verspottet, gegeißelt, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt: ich bitte dich, erhöre mich! SJ stellt das Bett ab, hält inne, spricht normal: Bett, Bahre, Toten Schiff, Brücke zwischen hier und da, wie oft bin ich gerufen worden, einer liege im Sterben, letzte Ölung, und habe sehen müssen: kein sanftes Hinscheiden, kein gottergebenes Abschiednehmen, Vorfreude auf den Himmel, nein, zitternd vor Angst, ob Mann ob Frau, kein Unterschied, gefleht, gebettelt, stammelnd mitgebetet, geschrieen auch, und festgeklammert an das Leben, gestritten mit dem Tod, mit großen Augen mich angestarrt, als sei ich nicht der Priester, sondern Todesengel, Todesbote, ja der Tod SJ schultert das Bett, trägt es in die Bettecke, lädt es dort ab. Kniet sich ans Bettende, murmelt. Gebets Ton. Litanei: O du Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden der Welt: verschone mich, o Jesus! O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt: erhöre mich, o Jesus! O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt: erbarme dich meiner, o Jesus! Jesus, du Gekreuzigter- höre mich! Jesus, du Gekreuzigter- höre mich! Jesus, du Gekreuzigter- erhöre mich! SJ spricht jetzt normal: Keine Wiege, kein Versteck, keine Zuflucht, keine Insel, auch kein Pfuhl und keine Brücke: der blanke Boden ist mein Bett, die Erde...
14.
14 ZUNGENBRECHER SJ geht langsam zum Tisch. Altar. Stellt sich in die Tischmitte, breitet die Arme weit aus. Kreuz. Streckt langsam, ganz langsam die Zunge(schmerzhaft) weit heraus. Steht so eine Weile. Zieht die Zunge wieder zurück. Spricht im Prediger –(Verkünder)ton: Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, das ganze Haus. Und es erschienen ZUNGEN WIE VON FEUER Zungen wie von Feuer. SJ schreit: Feuer! Feuer! Zungen wie von Feuer! SJ nimmt die Decke vom Tisch, legt sie sich um, über die Schultern. Velum. Beugt sich über den Tisch. Küsst die Tischplatte. Beginnt, den (Altar) Tisch zu säubern, indem er ihn mit der Zunge ableckt, schaut hoch, spricht : Wider sagst du dem Satan? Ich wider sage. Leckt. Spricht: Und all seinen Werken? Ich wider sage. Leckt. Spricht: Und all seinem Gepränge? Ich wider sage. Leckt länger. Spricht schnell: Der Metzger wetzt sein Metzgers Messer der Metzger wetzt sein Metzgers Messer Leckt. Spricht: O Schatz, der siebenfältig ziert, O Finger Gottes, der uns führt, Geschenk, vom Vater zugesagt, du, der die ZUNGEN REDEN macht. Leckt länger. Spricht : Kurze Zunge, lange Zunge, spitze Zunge, scharfe Zunge, flinke Zunge, schwere Zunge, Lispelzunge, Stummelzunge Leckt Spricht schnell: Sechsundsechzig Hechtsköpfe sechshundertsechsundsechzig Hechtsköpfe Leckt länger. Spricht: Du siebenfaches Gnadenfest, du Hand des Herrn, die Wunder tut, du lösest aller ZUNGEN BAND, gibst frei das Wort in alle Land. Leckt: Spricht schnell: Der Metzger wetzt sein Metzgers Messer der Metzger wetzt sein Metzgers Messer Leckt länger. Spricht : Grußzunge, Kusszunge, Leckzunge, Schmeckzunge, Dreckzunge, Reißzunge, Beißzunge. Leckt. Spricht: Ich wider sage, wider sage, wider sage! Leckt. Spricht: Der ZUNGE LEGE ZÜGEL an, dass nimmer Streit anheben kann! Leckt. Spricht sehr schnell: Sechsundsechzig Hechtsköpfe sechshundertsechsundsechzig Hechtsköpfe sechshundertsechsundsechsundsechzig sechseckige Hechtsköpfe. Leckt. Spricht: Stopf die Zunge in den Hals! Reiß die Zunge raus! Nagel die Zunge an! Schneid die Zunge ab! Fress die Zunge auf! Leckt. Spricht rasend schnell: Der Metzger wetzt sein Metzgers Messer der Metzger wetzt sein Metzgers Messer der Metzger wetzt sein bestes Metzgers Messer Leckt. Schreit: Die Zunge brennt!
15.
15 MUNDTOT SJ wirft die Decke, Velum, von sich, läuft (katzengleich) zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft zur Tür, lauscht, geht langsam zum Tisch zurück, richtet den Tisch auf, stellt ihn hochkant, die Tischplatte eine Wand,, stellt den Stuhl vor diese Tischwand, setzt sich auf den Stuhl, zeichnet mit dem Daumen ein Kreuz auf die Stirn, zieht den Hosengürtel aus den Schlaufen, legt sich den Gürtel um die Stirn, Schnalle nach hinten, zieht zu, sitzt aufrecht, die Hände auf den Knien. Elektrischer Stuhl. Spricht: Was hinter dieser Stirn alles vor sich gegangen ist, Mutter, seit Kind, mein geheimster, sicherster Ort, Bett und Ginsterversteck sind ein Glashaus dagegen! Was hinter dieser Stirn immer noch vor sich geht, O Gott!, der du in die verborgensten Winkel siehst, jeden auch noch so geheimen Gedanken kennst, du weißt, was hinter dieser Stirn, in diesem Kopf alles Platz hat! Himmelschreiend sind meine Sünden, Tod und ewige Höllenpein habe ich dafür verdient! Mein Jesus, Barmherzigkeit! SJ erhebt sich, lockert den Gürtel, legt ihn sich über die Augen, Schnalle nach hinten, Augenbinde, zieht zu. Steht aufrecht. Exekution. Spricht: Reiß es aus, wenn es dir zum Ärgernis wird, reiß sie heraus, diese Augen, Mutter, diese Augen, was sie gesehen haben, Bilder, von denen du dir keine Vorstellung machen kannst, tausendmal Splitter im Aug, Balken!, nein, ausreißen, was hätte das genützt, was würde das nützen, sie sind da, diese Bilder, schrecklich, entsetzlich, Bilder, die nicht verblassen, sondern stärker werden von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht vor allem, O Gott!, warum, warum hast du das zugelassen! Ein Blick, ein einziger Blick, es war nur ein Blick, ein Blick voller Liebe, Liebe! Warum? Sie waren unschuldig, Kinder! Sie hatten noch nichts erlebt, sie hatten das Leben noch vor sich! Ein Blick, mein Blick! Es war mein Blick, der ihnen den Tod gebracht hat. Ich war schuld, schuld! Ich hatte den Tod verdient, das Feuer! SJ schreit: Das Feuer! Feuer! Ins ewige Feuer! Leise: Mein Jesus, Barmherzigkeit! SJ lockert den Gürtel, legt ihn über das Kinn, Schnalle nach vorn, eine Lederzunge, zeichnet mit dem Daumen ein Kreuz auf den Mund, kniet sich auf den Boden, spricht: Sprachrohr des Herrn, Verkünder des Wortes Gottes, Mutter, nicht nur Heiliges ist aus diesem Mund gekommen, auch Schmeicheleien, schlechte Worte, Unrechtes, Flüche, Böses, Lügelüge, und was dieser Mund schon geschrieen hat, O Gott, was dieser Mund schon hat schreien müssen, dieses Schreien, immer wieder schreien, schreien, es will nicht aufhören! SJ reißt den Mund weit auf, legt sich den Gürtel in den weitgeöffneten Mund, Schnalle nach vorn, Lederzunge, zieht langsam zu, während er sagt: Mein Jesus, Barmherzigkeit! SJ hat den Gürtel jetzt soweit festgezogen, dass ein Sprechen unmöglich ist: Maulsperre.
16.
16 HASENHERZ SJ bleibt einen Augenblick stehen, den Gürtel, die Schnalle nach vorn, die Schlaufe wie eine große Zunge heraushängend, im Mund, läuft dann( katzengleich) zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, bleibt aber auf halbem Weg, mitten im Zimmer, stehen, stockt, krempelt sich die Hosenbeine hoch, löst den Gürtel aus dem Mund, legt sich den Gürtel um die bloßen Beine, zieht fest zu, hoppelt zum Fenster, hoppelt zur Tür, Sackhüpfen, singt dabei (kindlich/kindisch): Hoppe, Hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben fällt er in den Sumpf, dann: Hoppe, Hoppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er, fährt er in den Graben, SJ stockt, bleibt stehen, Stumm. So eine Weile, dann, fast tonlos: fressen sie die Raben, fressen sie die Raben, fressen sie die Raben geht jetzt, die Hände auf dem Rücken überkreuzt, wie ein Delinquent zum elektrischen Stuhl, ein Gefangener mit Fußfesseln, langsam, schleppend, zum Tisch zurück. Halbdunkel
17.
17 ARMSELIG SJ löst den Gürtel von seinen Unterschenkeln, legt ihn vor sich auf den Stuhl. Zieht Jacke, Hemd und Unterhemd aus, kniet sich mit nacktem, bloßem Oberkörper vor den Stuhl, schlägt sich mit dem Gürtel quer über den Rücken. Geißler. Zwischen und während den einzelnen Schlägen spricht er in einer Art Singsang: Ich will dich lieben, meine Stärke, ich will dich lieben meine Zier, ich will dich lieben mit dem Werke und immerwährender Begier; ich will dich lieben, schönstes Licht, bis mir das Herz im Tode bricht. Ach, dass ich dich so spät erkannte, du hochgelobte Schönheit du, dass ich nicht eher mein dich nannte, du höchstes Gut, du wahre Ruh! Es ist mir leid, bin tief betrübt, dass ich dich, ach, so spät geliebt. Ich lief verirrt und war verblendet, ich suchte dich und fand dich nicht; ich hatte mich von dir gewendet, und liebte das geschaffne Licht. Nun aber ists durch dich geschehn, dass ich dich habe ausersehn. Ich danke dir, du wahre Sonne, da mir dein Glanz das Licht gebracht; ich danke dir, du Himmelswonne, dass du mich froh und frei gemacht; ich danke dir, du güldner Mund, dass du mein Herze machst gesund. Ich will dich lieben meine Krone, ich will dich lieben, meinen Gott, ich will dich lieben sonder Lohne, auch in der allergrößten Not; ich will dich lieben, schönstes Licht, bis mir das Herz im Tode bricht. SJ fällt nach vorn über den Stuhl. Liegt so da.
18.
18 SCHWINDELFREIHEIT SJ gürtet sich, zieht das Hemd über, locker, offen, stellt den Tisch auf die Beine, stellt den Stuhl an den Tisch, steigt auf den Stuhl, steigt auf den Tisch, hebt den Stuhl auf den Tisch, steigt auf den Stuhl auf dem Tisch. Dreht sich nach vorn. Steht mit vor der Brust gefalteten Händen da. Säulenheiliger. Macht mit dem Daumen das Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Herz. Schließt die Augen. Steht so eine Weile. Spricht : Ehre sei Gott in der Höhe! Gepriesen bist du, der in die Tiefen schaut und auf Cherubim thront, gelobt und gerühmt in Ewigkeit. Droben, hoch oben, am Gipfel, am Gipfelkreuz stehe ich, Mutter, auf den Zinnen der Burg, und zittere nicht, nein, jegliche Angst ist von mir gewichen, weit unter mir und klein, so klein ist alles, verschwindend klein... Ich fühle mich leicht, frei, so leicht, alle Last ist von mir gefallen..... Preiset den Herrn, Sonne und Mond, lobet und rühmt ihn in Ewigkeit. Preiset den Herrn, ihr Sterne am Himmel, lobet und rühmt ihn in Ewigkeit. Das Paradies: die Hügel, die Wälder, die Wiesen, der See, die Wege und Häuser, tief unter mir... Preiset den Herrn, ihr Berge und Hügel, lobet und rühmt ihn in Ewigkeit. In der Ferne, weit in der Ferne sehe ich Rauch überm Land, eine Schlange, die kriecht heran SJ hebt langsam die Arme hoch, seitlich, Flügel. Du hast es gewusst, Mutter, du hast es immer gewusst: Ich kann fliegen!...... SJ bewegt sich leicht hin und her, beginnt –gefährlich, bedrohlich- mit dem Stuhl zu schwanken. SJ ruft: Mutter, Mutter, ich kann fliegen! Preiset den Herrn, all ihr Winde, lobet und rühmt ihn in Ewigkeit. Preiset den Herrn, ihr Blitze und Wolken, lobet und rühmt ihn in Ewigkeit. Unter mir ist jetzt die Schlange, der Rauch: es ist ein Wagen, gezogen von vielen Pferden... Er jagt dahin... Ich höre das Donnern der Hufe... SJ presst plötzlich die Hände auf die Ohren, öffnet weit die Augen, ruft: Mutter, nein, Mutter, o Gott, jetzt fällt das Feuer vom Himmel, brennende Zungen, der Wagen brennt, es brennt der Ginster, im Ginsterversteck die Schreie, sie schreien, wie sie schreien, das sprengt mir den Kopf, Mutter, das zerreißt mir das Hirn, dieses Schreien! Mutter, hilf mir, hilf! Hilfe! Hilfe! O Gott, O mein Gott! Warum hilft mir denn keiner?!
19.
19 ICH FÜR MICH SJ springt vom Stuhl, springt vom Tisch, läuft (katzengleich) zur Tür, lauscht, läuft zum Fenster, hüpft hoch, läuft zur Tür, klopft gegen die Tür, tritt mit den Füßen gegen die Tür, schreit: Raus! Ich will raus! Hier raus! Ins Freie! Die Berge! Die Wüste! Aufs Meer! SJ geht in die Knie, jammert: Mein Jesus, Barmherzigkeit, du warst in der Wüste, bist über das Meer gewandelt, warst auf dem Berg, hilf mir! Verlass mich nicht! Lass mich nicht allein! Lass mich nicht allein mit mir! Lauscht an der Tür, flüstert: Sie kommen, Mutter, sie kommen mich holen. Ich wars nicht, Mutter, ich wars nicht. Sie kommen mich holen O Gott, das wollte ich nicht, wirklich nicht, ich wollte das nicht, wirklich nicht. Sie kommen mich holen. Sie kommen mich holen. Kommt, kommt doch mich holen, kommt, kommt doch, mich holen! Sagt er automatisch immer wieder vor sich hin, während er zum Bett, läuft, das Bett an die Tür zieht, zum Tisch läuft, den Stuhl gegen die Tür stellt, zum Tisch läuft, den Tisch an die Tür zieht, mit Bett, Tisch und Stuhl die Tür zu verrammeln versucht, sich verbarrikadiert. Wenn die Barrikade fertig ist, bleibt er dahinter stehen, lauscht. Sagt dann leise, tonlos fast: Ich wars. Ich wars. Mutter, ich wars.
20.
20 ODEM ATEM SJ zieht den Stuhl aus der Barrikade, geht damit langsam, schleppend zum Fenster, stellt den Stuhl unter das Fenster, steigt hinauf, schaut aus dem Fenster, dreht sich um, sagt: Lasst mich! Lasst mich allein! Mein Jesus, Barmherzigkeit, du warst allein – in der Wüste, du warst allein auf dem Meer, allein auf dem Berg, allein warst du am Kreuz. Allein. SJ entledigt sich seines Hemdes, versucht, damit das Fensterchen zu verhängen, es gelingt (natürlich) nicht, er wirft das Hemd von sich, macht den Gürtel los, legt ihn sich um den Hals, zieht ihn enger, während er betet: Leib Christi, rette mich. Blut Christi, tränke mich. Wasser der Seite Christi, wasche mich. Leiden Christi, stärke mich. Verbirg in deinen Wunden mich. Von dir lass nimmer scheiden mich. In meiner Todesstunde rufe mich, und heiße zu dir kommen mich Während er mehr und mehr zuzieht, wird das Beten immer mehr zur Qual, das Sprechen gegen Ende fast unmöglich, wird zum Röcheln. Dunkel. In das Hinein Poltern, als würde der Stuhl weggestoßen
21.
21 AUS DER TIEFE 2 Halbdunkel, so, dass die Umrisse der Gegenstände vage auszumachen sind: das Bett und der Tisch an der (aufgemalten) Tür, der Stuhl liegt umgestoßen unter dem (aufgemalten) Fenster. Von unter dem Bett: Gemurmel (SJ ́ s Stimme), erst unverständlich, dann zu verstehen: O Herr, ich bin nicht würdig, dass ich eingehe unter dein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Dreimal. Dann: Stille. Nach einer Weile, leise, geschluchzt: Verdammt, verdammt, Gott verdammt. Dunkel.

about

SCHWARZBACHBETT

Ein Sing - und - Sprech - Spiel in 21 Szenen


Alfred Gulden - Sprecher / Text

Christof Thewes - Posaune, Computer , Komposition

Sabine Noß - Singstimme ( Alt )

Paulina Ella Thewes - Sprechstimme / Singstimme ( Sopran )

Daniel Schmitz - Trompete

credits

released November 13, 2023

Aufnahmen, Abmischung im '' DANGER STUDIO '' 2022/23 - Christof Thewes
Mastering - Herbert Weidemann
Bilder - Christof Thewes
Satz - Volker Schütz


Recorded, mixed and mastered by Christof Thewes, Danger Studio , Heiligenwald

© and ℗ 2023 gligg music
LC 85348

www.christofthewes.de
ch.thewes@t-online.de

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about

Christof Thewes Schiffweiler, Germany

www.christofthewes.de

arbeitet als Posaunist, Komponist+Arrangeur .
leitet verschiedene Ensembles und Musikprojekte von Solo bis Big Band, die sich zwischen modernem Jazz, freier Improvisation und Neuer Musik bis hin zu experimenteller Rock, Funk und Popmusik bewegen. ... more

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