We’ve updated our Terms of Use to reflect our new entity name and address. You can review the changes here.
We’ve updated our Terms of Use. You can review the changes here.

Schwarzbachbett 6

from Schwarzbachbett by Gulden / Thewes

/
  • Streaming + Download

    Includes high-quality download in MP3, FLAC and more. Paying supporters also get unlimited streaming via the free Bandcamp app.
    Purchasable with gift card

      name your price

     

lyrics

6
BEICHTSTUHL SÜNDENPFUHL
SJ stellt den Tisch hochkant: Beichtstuhl.
Stellt den Stuhl vor den Tisch,
kniet sich vor den Stuhl.
Spricht halblaut, aber eindringlich: Keine Ruhe habe ich in mir, keine Ruhe, denn meine Sünden sind stets vor mir! Keine Ruhe habe ich in mir,
wenn ich ihrer gedenke!
Vater, Vater,
ich habe gesündigt wider dich!
Ich habe schwer gesündigt wider dich!
Ich bin nichts mehr wert, nichts,
bin nicht mehr wert, dein Kind zu heißen.
Ich bin zum Verräter geworden,
meine Seele ist verwüstet,
ich bin für immer verloren, ruhelos, verzweifelt,
auf ewig heimatlos,
ein verlorener Sohn bin ich, dein,
dein verlorener Sohn bin ich,
Verstoß mich nicht, verwerf mich nicht, verdamme mich nicht
zu den Qualen der Hölle, zum ewigen Feuer.
Trommelt mit den Fäusten auf dem Stuhl, schreit:
Feuer! Das Feuer! Ins Feuer!
Brennen muss ich! Verbrenne mich!
Verbrenne mich! Brennen muss ich! Verbrenne mich!
Umfasst jetzt die Stuhlbeine, wie die eines Menschen,
schlägt mit der Stirn auf die Sitzfläche des Stuhls. Immer wieder. Es ist nur das dumpfe Aufschlagen der Stirn
auf der Sitzfläche des Stuhls zu hören.
Dann Stille.
S J liegt, zusammengebrochen, über dem Stuhl.
Stille.
Er hebt jetzt den Kopf, spricht leise, aber eindringlich:
Vater im Himmel,
der du in die Tiefe der Herzen siehst,
mich durchschaust, meine geheimsten Gedanken liest,
alles, was ich getan, liegt offen vor dir, vor deinen Augen, Erbarmen! Erbarmen! Hab Erbarmen mit mir!
Halblaut, eindringlich:
Und Du, Gottes eingeborener Sohn,
Jesus Christus, Heiland, mein Erlöser,
milder Richter, heilender Arzt, du guter Hirte,
ich sehe dich am Kreuzesstamm,
dein heiliges Haupt ist mit Dornen gekrönt,
deine Zunge brennt vor Durst,
an Händen und Füßen bist du angenagelt,
die Lanze hat dein heiliges Herz durchbohrt,
dein entblößter Leib ist ganz mit Blut und Wunden bedeckt,
alles, alles meiner Sünden wegen!
O du Lamm Gottes, dass du hinwegnimmst die Sünden der Welt,
erbarm, erbarme, erbarme dich meiner!
SJ stemmt sich mühselig hoch, setzt sich auf den Stuhl,
legt eine Hand als Trichter ans Ohr, neigt den Kopf gegen den Tisch,
als lausche er, höre er zu,
was von hinter dem Tisch gesagt, geflüstert wird.
SJ ist Beichtiger und Beichte Hörender, Beichtvater und Beichtkind zugleich. Wechselseitig sozusagen.
Als Beichtvater spricht er normal, als Beichtkind halblaut.
SJ, Beichtkind:
In Demut und Reue bekenne ich Gott, dem Allmächtigen, und dir, Vater,
meine Sünden. Alle meine Sünden.
Vater, ich bin ein Täuscher, ein Blender,
ein falsches, ein doppeltes Spiel treibe ich, spiele ich seit frühester Jugend, ja, seit Kind schon, wenn ich, - eingekleidet von der Mutter als Priesterlein,
sie hatte die Gewänder selbst genäht, bestickt,
der Winzlingspriester, mein Engel, mein kleiner Heiliger- ihr die Messe las, Gebete, Gesänge und die Gesten
der Priester nachmachte, dabei aber Schreckliches, Entsetzliches dachte, mir ausmalte in allen Einzelheiten
SJ, Beichtvater:
Und was?
SJ, Beichtkind:
Hammer und Nägel, mein Lieblingsspielzeug
von klein auf, Hammer und Nägel.
“Meister Hämmerlein“ nannte der Großvater mich, aber die Mutter: nimm dem Kind das Werkzeug weg, komm her, mein kleiner Engel, das ist nichts für dich, Hammer und Nägel, das ist nichts für dich!
Ich hasste sie, hätte sie dafür erschlagen können,

schlug dafür unseren Herrn und Heiland ans Kreuz,
Nagel für Nagel durch Hände und Füße, habe ich mir vorgestellt,
wie das ist, wenn der Nagel durchs Fleisch geht,
durch die Knochen, die splittern, das Blut spritzt, die Schmerzensschreie, das hatte ich alles in meinem Kopf, Meister Hämmerlein,
wenn ich ihr fromm tat, die Augen zum Himmel verdreht,
die Händchen hob, segnend, ein kleiner Heiliger,
Unschuldsengel, ihr Priesterlein, sie die Priester(lein)Mutter,
strahlte mich an, dann band ich sie auf das Rad, räderte
sie, legte sie auf den glühenden Rost, stach ihr die strahlenden
Augen aus, riss ihr mit einer Zange die Zunge heraus und
und ihre Brüste schnitt ich mit dem Brotmesser ab.
SJ, Beichtvater:
Du sollst über die Eltern, über Vater und Mutter nicht schlecht reden, du sollst ihnen nichts Böses wünschen, du sollst Vater und Mutter ehren, solange du lebest auf Erden, das weißt du doch!
SJ, Beichtkind:
Ja, ja, ich weiß es, ich weiß. Aber, Vater,
Vater, das ist nicht das Schlimmste, das Schlimmste habe ich mir nicht nur vorgestellt, das Schlimmste habe ich auch getan.
SJ, Beichtvater:
Das Schlimmste?!
SJ, Beichtkind:
Ich habe den Leib unseres Herrn und Heilands geschändet. Die Mutter hat mich darauf gebracht.
SJ, Beichtvater:
Die Mutter?
SJ, Beichtkind:
Die Mutter. Nach einer heiligen Messe, auf dem Heimweg,
ich bekam einen Hustenanfall, spuckte aus, ich sehe noch
ihren entsetzten Blick, höre noch, wie sie ruft: “Um Gottes Willen! du warst zur Kommunion, du hast den Leib des Herrn genossen, jetzt spuckst du ihn aus in den Dreck, Christi Leib!“
Bei der nächsten heiligen Messe, ich ging wie immer
zum Tisch des Herrn, kaute und schluckte ich nicht,
sondern behielt die Hostie im Mund, auf meiner Zunge,

nahm sie heimlich, während ich die Hand vor mein Gesicht hielt, heraus und versteckte sie in der Jackentasche. Zu Haus, während ich die Messe las, durchbohrte ich sie mit einem Nagel. Ich wollte Christi Blut fließen sehen. Nichts floss. Nichts.
SJ, Beichtvater:
Das hast du getan? Das hast du wirklich getan? Das hast du doch gebeichtet!
SJ, Beichtkind:
Ja. Aber bei einem Priester, der immer schlief, wenn wir Kinder beichteten. Viele gingen zu ihm. Lange Zeit bin ich zu ihm gegangen. Und oft. Immer, wenn ich vom Ginster kam.
SJ, Beichtvater:
Ginster?
SJ, Beichtkind:
Vom Ginsterversteck. Unser Lager im Ginster.
Ein Bombentrichter, umwachsen von Ginster.
Das beste Versteck. Für meinen Blutsbruder und mich. Er war auch Ministrant. Wie ich.
Da spielten wir Cowboy und Indianer.
SJ, Beichtvater:
Was gibt es da zu beichten? Alle Jungs spielen das.
SJ, Beichtkind:
Aber nicht so wie wir das spielten.
Wir haben miteinander gerungen. Der Sieger
durfte, was er wollte mit dem anderen machen.
Ihn quälen. Marterpfahl nannten wir das, wenn
der Besiegte, an Händen und Füßen gefesselt, dalag. Hilflos, dem Sieger ausgeliefert. Kitzeln, das war meist der Anfang, dann, das kam vor, kleine Ritzer mit dem Messer in die Haut, das Blut abgeleckt,
aber manchmal auch Schnitte, richtige, die taten weh, und immer, das gehörte zum Marterpfahl, ja,
das war der (eigentliche) Marterpfahl, dem Besiegten die Hose, die Unterhose herunter und dann das Glied mit allen Mitteln gepeinigt, mit Gräsern gereizt,
mit Brennnesseln, mit Ginstergerten geschlagen,

vor allem aber mit den Händen auf und abgerieben, bis der Besiegte aufgab und mit vor Schmerz und Lust verzerrtem Gesicht seinen Samen verspritzte.
SJ, Beichtvater:
Der Leib ist nicht für die Unkeuschheit da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. Oder
weißt du nicht, dass dein Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in dir wohnt, den du von Gott hast, und dass du nicht dir selbst gehörst?
SJ, Beichtkind:
Jajaja, Vater, der Marterpfahl war aber nur eins
der Spiele im Ginsterversteck. Wir hatten noch
andere. Pfeilschießen zum Beispiel. Der Besiegte, gefesselt, einen Knebel im Mund, Hose und Unterhose heruntergezogen, lag auf dem Bauch, sein Hintern hochgereckt, und da hinein, ins Schwarze, das Ziel, bekam er, anfangs, dünne Ginstergerten, einen Pfeil auch, später dann das Glied des Siegers gesteckt.
Oft nach solchen Spielen haben wir dann die Friedenspfeife geraucht. Ein Blutsbruder nahm das Glied des anderen
in den Mund und sog daran, bis dieser befriedigt war.
SJ, Beichtvater:
Und wie oft habt ihr das getan?
SJ, Beichtkind:
Ganze Sommer lang. Und im Winter
im Zimmer. Ja, während wir Messe spielten.
Die Zimmertür geschlossen. Die Mutter lauschte,
wir wussten es, und während wir beteten, predigten, sangen, waren unsere Hosentüren geöffnet, und einer ministrierte dem anderen.
SJ, Beichtvater:
Du weißt, was himmelschreiende Sünden sind?
Von diesen Sünden sagt die Heilige Schrift, daß
sie zum Himmel schreien, das heißt, die Strafgerechtigkeit, das Strafgericht Gottes herabrufen!
SJ, Beichtkind:
Vater, ich war noch ein Kind.
„Als ich noch ein Kind war, redete ich wie ein Kind,

dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind“, steht geschrieben.
SJ, Beichtvater:
„Als ich aber ein Mann war, legte ich das kindische Wesen ab“ steht weiter geschrieben.
SJ, Beichtkind:
Aber ich war noch kein Mann. Ich war noch ein halbes Kind,
da wurde ich in ein bischöfliches Konvikt geschickt,
war getrennt von meinem Ministrantenfreund, meinem Blutsbruder, weit weg vom Ginsterversteck, unseren Indianerspielen,
und den Beichten beim Priester, der immer schlief.
Weit weg auch von der Mutter, dem Messespielen, dem Fromm Tun, habe ich gedacht. Falsch! An die Stelle der Mutter trat der Konviktsdirektor: „Du bist etwas besonderes, auserwählt, aus dir mache ich einen Vorzeigepriester, du wirst nach Rom gehn“.
Und wieder das Doppelspiel. Und wieder so tun als ob und das Andere sich vorstellen, denken.
SJ, Beichtvater: Das Andere?
SJ, Beichtkind:
Mädchen. Die Frauen. Je mehr der Herr Konviktsdirektor
sie verteufelte: sie seien verkörpert die Sünde, Verführerinnen,
das Böse schlechthin, Evastöchter, durch sie sei alles Übel
in die Welt gekommen, desto mehr entzündete er meine Neugier,
ja, schließlich meine Begierde nach ihnen. Ich sah nur noch Frauen, dachte nur noch an sie. Die Indianerspiele waren vergessen. Fast. Bis eines Tages, ich, die Frau war Bedienung in einem Cafe, ich
traf sie, wir trafen uns heimlich an ihrem freien Tag, sie hatte
mich mitgenommen, ihr Zimmer war winzig, war nur ein Bett,
und da sah ich es dann, DAS, sollte es tun, aber mir wurde schlecht, ich ekelte mich so davor, was ich sah, ich musste mich übergeben, lief davon. Im Ferienlager, wir zelteten, nachts war es bitterkalt, fand ich einen neuen Blutsbruder, er kroch zu mir in den Schlafsack, aber es war nicht mehr wie früher im Ginsterversteck, obwohl
SJ, Beichtvater:
Obwohl?
SJ, Beichtkind:
Obwohl es in vielem ähnlich war.

SJ, Beichtvater:
Ähnlich
SJ, Beichtkind:
Ja, es gab auch wieder das Pfeile Schießen und auch die Friedenspfeife,
aber es war kein Spiel mehr, es war nur mehr Gier, die Lust, die Befriedigung.
SJ, Beichtvater:
Und du wolltest Priester werden? Vertreter Gottes auf Erden?
SJ, Beichtkind:
Wolltest? Sollte, sollte!
SJ, Beichtvater:
„Unzucht und jede Art von Laster oder Gier sollen unter euch noch nicht einmal zur Sprache kommen, wie es sich für Heilige ziemt“
SJ, Beichtkind, fällt ins Wort:
„Denn das merket euch wohl: kein Unzüchtiger oder Lasterhafter oder Gieriger hat Anteil am Reiche Gottes und Christi“, wie oft
hat der Herr Konviktsdirektor das gesagt und gepredigt:
„Die aber Christus angehören, haben ihr Fleisch mit seinen Leiden- schaften und Begierden ans Kreuz geschlagen.“ Und mich damit
in eine schwere Krise gebracht (gestürzt), krank, ich bin krank geworden, das Doppelspiel hat zuviel Kraft gekostet, habe ich, hat vielmehr
mein Körper gespürt, ich habe aufgehört damit, habe ich geglaubt,
die Gier, die Lust aufgegeben, der Weg ist frei, einfach, ich bin geheilt, meine Seele gesund
SJ, Beichtvater, fällt ins Wort:
„Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und- Enthaltsamkeit.“
SJ, Beichtkind:
Enthaltsam, das war ich dann, habe alle fleischlichen Gelüste unterdrückt. War, wie ich fest glaubte, frei davon, unabhängig, und folgte, wie der Konviktsdirektor sagte, meinem Ruf, meiner Berufung, und- bin Priester geworden.
Ab hier, ab dieser Stelle, ab jetzt gibt es keine Trennung mehr zwischen Beichtvater und Beichtkind, es spricht nur noch SJ.

SJ, normal:
Als Kaplan in einer Kleinstadt. Meine erste Stelle.
Der Pastor, ich habe ihn nicht geschätzt und auch nicht
geachtet, wie ich es hätte tun sollen, er war mir geistig
weit unterlegen und auch, das kam hinzu, von ausgesprochener Hässlichkeit, vierschrötig, das Wort trifft es genau. Aber eitel.
Und, als er mitbekam, dass, wenn ich die Messe hielt, auch
an Werktagen, auch in den Frühmessen, die Kirche gefüllter
war als bei ihm, zuerst natürlich aus Neugierde, wie sieht er aus, wie spricht er, kann er singen, der Neue, dann aber auch später,
als die erste Neugierde gestillt war, meine Messen besser besucht waren als seine, vor allem die Frauen, junge Frauen, einige,
die sogar nach der Messe vor der Sakristei warteten, um mit mir
ein paar Worte zu wechseln, die Frauen füllten die vorderen Bänke, als er das mitbekam, vielleicht wurde es ihm auch hinterbracht,
es gibt solche Leute, da wurde er mir gegenüber unerträglich, versuchte mich bloßzustellen wo und wann es nur ging. Vor allem öffentlich. Dass ich seine Warnung vor den sogenannten frommen Frauen, die eine Versuchung für jeden Priester seien, ernst nahm und seinen Rat, mich den Ministranten zu widmen, gern befolgte, machte unser Verhältnis für eine Weile erträglich.
Was er nicht ahnen, viel weniger wissen konnte, war, dass
unter den Ministranten kleine Engel waren, wahre Teufelchen,
die mich fast wieder in die Ginsterversteckzeit zurückgeworfen hätten. Ausflüge, Zeltlager, vor allem die Balgereien bei den Fußball- und anderen Spielen wurden mir immer gefährlicher.
Hinzu kam, dass ich zu trinken begonnen hatte. Aus Frust und
Wut über meinen dummen eitlen Vorgesetzten zuerst, der, wie
ich schnell herausfand, froh war, einen Mittrinker in mir zu
finden, dann, um der Versuchung Herr zu werden, die mir täglich gefährlicher wurde. Höllenqualen litt ich bei einer Bergwanderung, als wir, eine Gruppe Ministranten und ich, uns am Gipfel
mehr als herzlich umarmten. Das Gebet am Gipfelkreuz brachte mich wieder zu mir, Gott sei Dank! Aber der Höllenstachel saß tief. Und eine Unruhe hatte mich erfasst, derer ich nicht mehr Herr werden konnte. Vor allem, wenn die kleinen Engel zur Beichte kamen und sich als wahre Teufelchen erwiesen, mir immer
wieder die Ginster(versteck)zeit vor Augen riefen,
mich aufwühlten, meine Nächte waren Höllenqualen. Gebete, Selbst- kasteiung und auch die gutgemeinten Ratschläge meines Beichtigers halfen da nichts mehr. Das Unglück nahm seinen Lauf,
als ich, früher als erwartet, der Herr Pastor hatte dafür gesorgt, erfuhr ich später, versetzt wurde: eine eigene Pfarrei bekam.

Das war ein Blitzstrahl aus blauem Himmel. Hilfe von oben.
Ein Fingerzeig Gottes, dachte ich, erhörte Gebete, eine Gnade.
Die neue Stelle, ein Dorf auf dem Land, meine Pfarrei,
lange verwaist, ich hatte zu tun, war ausgefüllt, fast vergessen
die Höllenqualen, die innere Unruhe, der Höllenstachel ausgerissen,
freute ich mich, zu früh, zu früh, weiß ich heute, damals schien alles
im Lot, in Ordnung, ich mit mir im Reinen, sogar mit der Mutter,
die ich lange Zeit von mir hatte fernhalten können, hatte ich Frieden
geschlossen, sie kam zu Besuch, war auch zufrieden mit meiner
Haushälterin, einer Alten aus dem Dorf.....
So hätte es bleiben können.
Aber, so ist es nicht geblieben. Anscheinend hat Gott es nicht gewollt,
mir eine neue Prüfung auferlegt, und diesen kleinen Engel geschickt.
Außenseiter, der Sohn des Lehrers, aus der Stadt neu zugezogen,
von den anderen Jungs nicht aufgenommen, akzeptiert, gehänselt,
verspottet als Weichling, Jammerlappen, traurige Figur, immer ein Buch
in der Hand, am Lesen, verträumt, kein Interesse am Fußballspiel oder
an den oft groben Streichen der Dorfjungs, Muttersöhnchen, ihm wurde hart zugesetzt, aber ihm schien das nichts auszumachen, anscheinend war er es gewohnt,
lebte in einer anderen Welt, war anders als die anderen,
auch dem Aussehen nach, zart, blondgelockt, ein Mädchengesicht,
ein Engel... und der Höllenstachel, verschwunden, ausgerissen geglaubt,
war wieder da, und auch die Unruhe, wie ich mich auch gewehrt habe,
mit allen Mitteln, Gott weiß, mich kasteit, gebetet, gefleht, mich ab-
zulenken versucht, Rat eingeholt bei meinem Beichtiger, umsonst, vergeblich,
es war wieder da, und schlimmer als je zuvor, ein Fieber Höllenpein, es schüttelte mich, ich konnte nichts mehr dagegen tun, ich wusste, ich war verloren.
Es brannte in mir, ich brannte, brannte
SJ schreit:
Es brennt! Wie das brennt! Das brennt! Feuer! Feuer!
SJ schlägt seinen Kopf, Schläfenseite, gegen den hochgestellten Tisch, Beichtstuhl, immer wieder, hält inne, dann, den Kopf zwischen beiden Händen, als habe er furchtbare Schmerzen, sitzt er da, starr, stöhnt leise.
So eine Weile.

credits

from Schwarzbachbett, released November 13, 2023

license

all rights reserved

tags

about

Christof Thewes Schiffweiler, Germany

www.christofthewes.de

arbeitet als Posaunist, Komponist+Arrangeur .
leitet verschiedene Ensembles und Musikprojekte von Solo bis Big Band, die sich zwischen modernem Jazz, freier Improvisation und Neuer Musik bis hin zu experimenteller Rock, Funk und Popmusik bewegen. ... more

contact / help

Contact Christof Thewes

Streaming and
Download help

Report this track or account

If you like Christof Thewes, you may also like: