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Tote Strecken - Ode to the paintings of Bettina van Haaren for Rock​+​Jazzensemble - 14​.​00 / Nahe Tode - eine Messe - 16 Uhr

by Gulden / Thewes

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1.
Ode 1 06:24
1 Der Film ist zu Ende. Die Leinwand ist weiß. Es bleiben Bilder, die erzählt werden wollen. Es dreht sich um eine Frau, die tagträumt. Wie die Hasen, sagt sie, mit offenen Augen. Sie liegt auf dem Bett. Das Laken ist weiß. Sie ist nackt. Sie hält einen Fuchs im Arm. Das Fuchsfell hat die Farbe der Haut einer Blutorange, sagt sie. Dieser Fuchs, damals, er roch nach Parfüm. Wie er um Mutters Hals hing. Die Angst und doch das Verlangen, ihn zu berühren, ihm nahe zu sein, wie er Mutters Hals nahe war. Die Frau starrt die Zimmerdecke an. Im Weiss scheinen Risse auf, schneiden sich Linien. Das Bett ist das Boot. Es segelt. Das Bett ist Versteck. Die Falle. Der Käfig. Die Folter. Das Sprungbrett. Die rettende Leiter über das Eis. Meine Brust ist eine Blutorange, sagt die Frau und sieht den Fuchs, der im Garten steht. Unbeweglich. Seine roten Haare sträuben sich im Frühlicht.
2.
Ode 2 06:26
2 Der Tisch ist mit einem weißen Tuch bedeckt. Die Frau steht an den Tisch gelehnt. Sie ist nackt. Sie sieht Kohlköpfe aufgereiht und ihr fällt ein: die schönste Landschaft sah aus wie gekochter Spinat. Und weiß nicht mehr, woher ihr der Satz kommt. Wildschweine laufen durch das Zimmer. Was hatte ich nachts im Wald verloren, fragt die Frau. Sie weiß es nicht mehr, nur, dass sie vor Angst erstarrte, als plötzlich die Bache vor ihr stand mit ihren Frischlingen. Ich bin Daphne. Ein Baum wurde sie, an dem sich die Wildschweine rieben. Dann hört sie ein langgezogenes Bremsen, scharfes Zischen, und das Geräusch von Hartem, das schwer auf Weiches trifft.
3.
Ode 3 07:35
3 ODuLamm ODuLamm ODuLamm läuft es, Dudelmusik, in ihrem Kopf. Kirchenlied Kinder- zeit. Wie ging es weiter? Was wollen die Lämmer hier? Die Frau liegt auf dem OP-Tisch. Teils bedeckt mit weißen Tüchern. Helles Licht. Mein Lämmchen, liebes Lämmchen, wo tut es weh? Wie der Vater das sagte. Sie wollte kein Lämmchen sein. Nein. ODuLamm ODuLamm ODuLamm. Es tut doch nicht weh. Hört sie. Von Fern. Nah: das habe ich noch nicht erlebt, in all den Jahren Praxis nicht, dass jemand unter Narkose singt! Und diese Augen, der Blick lässt mich nicht los.
4.
Ode 4 02:45
4 Festhalten. In der Mähne. Fest um den Hals! Hat nicht genützt. Sie ist gestürzt. Vom Pferd gefallen. Liegt sie da. Das Pferd über ihr. Schaut sie an. Lämmchen, liebes Lämmchen, tut es weh? Der Vater: Was machst du nur! -Das Pferd weint. Es weint! -Ach Lämmchen, Tiere weinen nicht. Nie.- Doch. Geht sie, Gänsemagd, Oh Jungfer da du gangest, Oh Fallada, da du hangest, durch das große Tor. Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet. Sezieren , das ist eine Kunst, Herr Kollege, wir sind Künstler!
5.
Ode 5 04:36
5 Die Frau sitzt am Schneehang. Nackt. Friert. Trotz der Decke aus vier Hasen, die sich, zitternde Hasen Felle, ängstlich an sie klammern. Die Schneekönigin bin ich nicht. Saßen einst vier Hasen, fraßen ab den grünen, grünen Klee. Dann das Rennen. Haken schlagen. Angst haben. Mit offenen Augen träumen, so wie ich, sagt die Frau, so wie ich. Von Ferne ist das Dröhnen von Flugzeugmotoren zu hören.
6.
Ode 6 07:28
6 Über den gefrorenen See jagen zwei Leoparden. Auf die Frau zu. Springen sie an, reißen sie um. Nicht die Prizessin auf dem Eis bin ich, Ich bin die Gänsemagd. Fallada war mein Pferd. Es weint. Die Jäger warten schon. Seltsam jetzt die Stille. In die hinein reisst das Eis, birst, bricht mächtig auf. Das Dröhnen der Flugzeugmotoren ganz nah. Es schneit kleine Totenköpfe.
7.
Ode 7 05:44
7 Kein Haus. Zuflucht. Kein Unterkommen. Kein Schutz Raum. Bloß liegen. Im Gletscherfeld. Nackt. Die Falle. Da hilft nichts. Nicht das Wegducken wie die zwei Leoparden. Flach liegen. Die Augen weit offen, sieht die Frau hoch über sich die dröhnenden Aeroplane. Die haben es in sich, sagt sie, drei schwarze Engel, die Flügel gespannt.
8.
Ode 8 10:30
8 Kein Boden mehr. Keine Decke. Die Wände fallen. Der Raum offen nach allen Seiten. Wide white space. Die Frau, schwerelos, schwebt inmitten. Sie singt. Und die Dinge und die Tiere, die um sie kreisen, verschwimmen in einvielfarbiges Bunt. Und jetzt bin ich die Gänsemagd und Daphne und die Eisprinzessin, die Schneekönigin bin ich. Und immer ich. Ich. Und ein Rauschen macht sich bemerkbar, schwillt an, aus dem in Intervallen leise, kaum hörbar, ODuLamm ODuLamm ODuLamm tönt und das viel- farbige Bunt beginnt zu zerfließen, sich aufzulösen, verschwindet im Raum, und auch die Frau beginnt zu zerfasern, sich aufzulösen, verschwimmt, verschwindet. Und der Raum ist weit und weiß und leer. Und das Rauschen ist stark, stärker, allmächtig. Der Film ist zu Ende. Die Leinwand ist weiß. Es bleiben noch Bilder, die erzählt werden wollen.
9.
Mutters Vater Mutters Vater starb zuhaus in seinem Eichenbett. Ich lachte, als sie sagten: Schuhe, Stock und Hut hätt er zuletzt verlangt. Ich dachte an das frohgemute wohlbekannte Kinderlied. Vaters Vater Vaters Vater ist gefallen 1916 an der Somme. Grabenkrieg. An einem Tag zigtausend Mann Verlust. Auf beiden Seiten. Gewinn am Ende- kein Meter Land. Es kam mir in den Sinn das Kinder-Wiegen-Lied. Mutter Hinter der Gardine stand sie. Ich sah ihre winkende Hand. Das war das Letzte, was ich sah von ihr. Am Telefon der Bruder "Setz dich!" sagte er. "Sie ist tot." Zwischen den Wäschestücken Briefe. Gebündelt, verschnürt. Meine eigenen. Seit Kind. Vater Sein Händedruck, als wir sangen, leicht, aber spürbar, dass ich erschrak. Seit Wochen lag er. Die Augen zu. Sprach nicht mehr. Intensivstation. Wir singen. Leise. "Im Chor war er seit er 15 war und bis 80. Singen das war sein Leben. Ohne Stimme kenne ich ihn nicht mehr", sagte die Mutter in unser Lied. Weinte. Die Schwester Wir halten uns ans Beten. Hilflos. Sie betet mit. Die halbe Nacht. Wir sind ein Atmen. Im Morgengrauen dann: "Die Augen. Schau auf die Augen!" sagte mir einmal ein Kameramann. Die Augen offen. Weit. Kein Blick mehr. Wir beten laut. Allein. Es ist kein Film.
10.
o.T. für W.W. Wir sitzen, wir warten. Vor uns, Föhnbild, die Berge, neben mir auf dem Stuhl das gewidmete Buch. Der Wind blättert die Seiten um. Ich erinnere mich nicht mehr, wer von uns sagte und wann: „In die Berge verschwinden, das wäre ein schöner Tod.“ Und ob wir damals verwundert schauten oder nickten oder leise lachten, weiß ich nicht mehr. Wir sitzen, wir warten. Vor uns, Umriss, die Berge, jetzt schwarz. Dann war das für A. Wie sagte ein gleichaltriger Freund - wir standen am Fenster und schauten auf den alten Flussarm im Mondlicht- : „30 wollten wir werden, nicht mehr. Jetzt sind wir 10 Jahre älter als doppelt so alt wie wir sagten“, und er öffnete das Fenster weit, sog die kalte Luft aus dem nächtlichen Park tief ein: „Diese Bäume werden uns überleben“, und er nickte zu den zwei hundert - jährigen Kastanienbäumen hin, „Und das ist gut so“, sagte ich, „gut so.“ Polen offen Tadeusz Różewicz nachgerufen Da sitzt er unter den hundertjährigen Bäumen. Und rührt in der Tasse. Lange. Lächelt. Versonnen schaut er in das bewegte Laub. Das Geräusch des kleinen Löffels in der Tasse. Und das der Blätter. . Wir sitzen. Und sagen nichts. . Das war damals. In der Hand halte ich eine Postkarte, auf der er anfragt: „Aus welchem Material waren die Handschuhe der deutschen Wehrmachtsoffiziere?“ Alles hat er klein geschrieben. Aus dem Fenster schaue ich in die Bäume, unter denen er saß, offen für Fragen, die ich nicht fragte. Ich lege die Karte zu den anderen. Später für Thomas K. Kein Zweifel: glaub ich dir, du malst die Wunden blind, und lächelnd nennst du mir, die blinden Glaubens selig sind. Doch legst du selber Hand an, vertraust du deinen Augen nur. Die Spur der Farben auf der Leinwand verfolgst du staunend nach, wie sie zum Bild gerinnen. Zu spät für Thomas K. Du sagst nichts mehr: du bist nur noch Gedanke, Farbe, Bild. Wir stehen da und sehen den Neujahrsmorgen und Kalvaria, und wissen nicht, was du jetzt weißt, und zweifeln noch, und glauben doch den Christuskopf zweifach.

about

Tote Strecke(n)
Abhanden gekommene Zeit

Den Bahndamm lang: keiner
sammelt mehr die Blüten der
Königskerzen.
Die Schienen laufen leer.
Bretterkreuze, da wo die Fenster
waren im Backsteinbahnhof.
Im Turm, da, wo die Uhr war,
ist ein kreisrundes Loch.
Nichts mehr, was zählt:
Abfahrt, Ankunft, Umarmungen.
Die Amsel auf der Wetterfahne
hört kein Mensch mehr.


Tote Strecken” ist die musikalische Umsetzung von Alfred Guldens
Gedichtzyklus “TotenRoteln” ( “Tote Strecken” / “Gesang zu Bildern
von Bettina van Haaren” / “Nahe Tode”/”Es liege einer auf Leicht” /
“Votivtafelgedichte”. )
Am16.September 2017 wurde dieses Werk in 9 Teilen über den ganzen Tag verteilt
in Saarbrücken aufgeführt.
Frühmorgens beginnend, über den Mittag, den Abend bis spät in
die Nacht wurden diese Konzerte an verschiedenen Orten in der Stadt
aufgeführt. Stationen waren ein kleines Theater, ein Kino, ein Friedhof,
ein Restaurant, eine Kirche, eine Galerie und eine Musikkneipe.
Alle Stationen waren fußläufig miteinander verbunden.
Der Wechsel von Station und Prozession war
gleichzeitig auch der Wechsel von lockerem, bewegtem
Miteinander und einem konzentrierten (musikalischen) Agieren.
Die Verschiedenartigkeit der musikalischen Ereignisse
(unterschiedliche Kompositonen wie Lied, oder reine
Instrumentalteile, wechselnde Besetzungen von Trio bis Big Band)
und der mannigfachen Aufführungsorte, machte dieses

TAGWERK

zu einem besonderen, einmaligen, ja, einzigartigen Erlebnis.
credits
released April 12, 2022






14:00 – Ode to the paintings of Bettina van Haaren

1 GESANG zu Bildern von Bettina van Haaren


16:00 - Nahe Tode for large Ensemble

EINE MESSE

credits

released June 7, 2022

Tote Strecken - Ode to the paintings of Bettina van Haaren : 14.00

1 GESANG zu Bildern von Bettina van Haaren


TRACK 1 - 8


"Das Bild ist eine reine Schöpfung des Geistes.- Es kann nicht aus einem Vergleich entstehen, vielmehr aus der Annäherung von zwei mehr oder weniger voneinander entfernten Wirklichkeiten.-Je entfernter und je genauer die Beziehungen der einander angenäherten Wirklichkeiten sind, um so stärker ist das Bild – um so mehr emotionale Wirkung und poetische Realität besitzt es."

Pierre Reverdy "Das Bild" in "Nord Süd", Nr.13, März 1918



Christof Thewes - trombone/como.
Alfred Gulden - Voice/lyrics

with
Anette von Eichel - voice
Martin Schmidt - e-bass, mandoline
Daniel Prätzlich - Drums,Glockenspiel





16.00 : Nahe Tode for large Ensemble - eine Messe

TRACK 9+10


Christof Thewes - composing, directed, Dirigat
Alfred Gulden - lyrics, voice

with

Vocal - Sabine Noß, Anette von Eichel, Marion Wildegger,Elodie Brochier

saxes - Hartmut Oßwald, Anna Kaluza ,Andreas krennerich

flute - Claudia Hahn

trumpets - Daniel Schmitz, Thomas Feid, Geoffroy Mueller (+Performance)

trombone - Alisa Klein

violoncello - Julien Blondel

guitar,mando. - Johannes Schmitz, Martin Schmidt

bass - Jan Oestreich, Ben Lehmann

electronics - Herbert Weidemann

drums + percussion - Daniel Prätzlich , Martial Frenzel, Manuel Schwierziek




cover,cut, mixed by ch.thewes

recorded live 09/16/2017
by christian schu,stefan winkler

Copyright 2022

Gligg Music 006 LC 85348

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about

Christof Thewes Schiffweiler, Germany

www.christofthewes.de

arbeitet als Posaunist, Komponist+Arrangeur .
leitet verschiedene Ensembles und Musikprojekte von Solo bis Big Band, die sich zwischen modernem Jazz, freier Improvisation und Neuer Musik bis hin zu experimenteller Rock, Funk und Popmusik bewegen. ... more

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